US-Strafgewitter braut sich über dem Jemen zusammen
Die Botschaft zwischen den Zeilen: Washington verschärft die Gangart gegen den Terror. Außenminister Abu Bakr al-Kirbi beteuerte indes, dass der Jemen das Geschäft der Terrorbekämpfung «selbst» betreibe. Geheimdienstchef Ali al-Anisi meinte gar, all das Gerede über die El Kaida im Jemen sei «übertrieben».
Die Botschaften der USA und Großbritanniens in Sanaa schlossen indes am Sonntag wegen einer Terrordrohung der jemenitischen El Kaida ihre Pforten. Doch seitdem US-Präsident Barack Obama tags zuvor die El Kaida im Jemen erstmals öffentlich der Urheberschaft des vereitelten Flugzeuganschlags von Detroit beschuldigte, ist klar: über den Wadis und Berghöhlen der südöstlichen Provinzen, wo die Schurken der neuen El-Kaida-Generation vermutet werden, braut sich ein amerikanisches Strafgewitter zusammen.
Die Extremisten sollen den verhinderten Flugzeugattentäter Umar Farouk Abdulmutallab im jemenitischen Hinterland im Umgang mit seiner «Unterhosen-Bombe» geschult und angeleitet haben. Ihre Organisation nennt sich El Kaida auf der arabischen Halbinsel. Vor einem Jahr ging sie aus der Verschmelzung der jemenitischen mit der saudischen El Kaida hervor. Ihr Anführer ist der Jemenit Nasser al-Wahischi. Er war Osama bin Ladens Sekretär im Afghanistan-Krieg und kämpfte in jener Schlacht um die Bergfestung Tora Bora an seiner Seite, bei der Bin Laden den US-Truppen entwischte.
Al-Wahischi entkam wiederum jenem Hochsicherheitsgefängnis in Sanaa, in das ihn die Jemeniten nach seiner Rückkehr aus Afghanistan gesteckt hatten. Experten zufolge soll er noch heute mit Bin Laden in Kontakt stehen. Sein saudischer Stellvertreter Said Ali al-Schihri überstand sechs Jahre Guantánamo und ein saudisches Wiedereingliederungsprogramm für reuige Ex-Terroristen. Sein Leitspruch: «So Gott will, unsere Gefängnishaft hat uns in unserer Beharrlichkeit, dem Prinzip des Dschihad zu folgen, nur bestärkt.»
Die Amerikaner würden diese beiden Männer lieber heute als morgen tot oder gefangen sehen. Ein Dorn im Auge ist ihnen auch der Imam (religiöse Führer) der Gruppe, Anwar al-Awlaki. Er ist in den USA geboren, besann sich seiner arabischen Wurzeln und wurde ein fanatischer Hassprediger. Er soll mit dem US-Major Nidal Malik Hasan einen regen E-Mail-Verkehr gehabt haben, der im November in der texanischen Militärbasis Fort Hood 13 Soldaten erschoss. Auch dem Nigerianer Abdulmutallab soll Al-Awlaki vor der beabsichtigten Terrortat mit spirituellem Rat beigestanden haben.
Der Jemen sei «kein sicherer Hafen für Terroristen», beteuerte Geheimdienstchef Al-Anisi am Sonntag. Bis zu den El-Kaida-Anschlägen im September 2001 gingen jedoch islamistische Extremisten in dem arabischen Land ein und aus. Danach traf Präsident Salih, der seit 20 Jahren über sein von Armut und gewaltsamen Konflikten zerrüttetes Land herrscht, eine strategische Entscheidung - für die USA und den damals ausgerufenen Krieg gegen den Terror.
Doch der Machtapparat des Präsidenten ist von Gesinnungsgenossen der extremen Islamisten unterwandert. Der spektakuläre Gefängnisausbruch Al-Wahischis und 22 weiterer Kampfgefährten im Februar 2006 wäre ohne die helfende Hand des Geheimdienstes kaum möglich gewesen, meinen Experten. Auch die enorme Korruption erleichtert es gut organisierten Gruppen, die Behörden auszuspielen.
Nach US-Medienberichten kundschaftet das US-Militär bereits potenzielle Ziele für Luftschläge aus. Erfahrungen mit früheren Strafaktionen in Afghanistan, Pakistan und im Sudan lehren allerdings, dass Führungsfiguren dabei selten getroffen werden. Oft aber töten die Bomben und Raketen unbeteiligte Zivilisten, was den Hass der Bevölkerung gegen Amerika und den Westen weiter schürt. Für die Terroristen wird ein Umfeld geschaffen, das ihnen nur nützen kann.