US-Regierungswechsel verunsichert Impfstoffbranche – Hersteller fürchten Marktverfall und Investitionsstopp
Mit der Entlassung des gesamten Impfstoffbeirats und der Neubesetzung durch bekannte Skeptiker verschärft die US-Regierung unter Präsident Donald Trump den Druck auf die Impfstoffindustrie. Die Maßnahmen folgen auf erste Signale aus dem Gesundheitsministerium, unter Leitung von Impfgegner Robert F. Kennedy Jr., die Pharmaunternehmen bereits in den vergangenen Monaten verunsichert hatten.
Die 17-köpfige Immunisierungskommission, die bisher Empfehlungen zu Impfstoffen aussprach und damit maßgeblich bestimmte, welche Produkte von Krankenkassen erstattet werden, wurde vollständig durch regierungsnahe Kandidaten ersetzt – darunter Martin Kulldorff und Robert Malone, die in Gerichtsverfahren als Gutachter gegen Merck’s HPV-Impfstoff Gardasil auftraten. Fachleute wie die Virologin Angela Rasmussen warnen vor einer schrittweisen Schwächung bestehender Impfempfehlungen und einem politischen Eingriff in wissenschaftsbasierte Verfahren.
Zugleich geraten die Aktienkurse der Impfstoffhersteller massiv unter Druck. Seit Jahresbeginn ist der Kurs von Moderna um 36 Prozent eingebrochen, Novavax verlor 18 Prozent. Auch Merck, dessen Impfstoffportfolio bislang als stabilisierender Faktor im Pharmageschäft galt, büßte 17 Prozent ein. Der Sektor war bereits nach der Pandemie unter Verkaufsdruck geraten, nun droht durch regulatorische Unsicherheit ein dauerhafter Investitionsrückgang.
Die Impfstoffsparten galten bisher als vergleichsweise krisenresistent: Aufwendige Herstellung und skalierte Produktion erschweren den Markteintritt für Generika, was etwa bei Sanofi und GSK für stabile Cashflows sorgte. „Sie waren qualitativ hochwertige Geschäftsbereiche“, sagt Gareth Powell von Polar Capital. „Jetzt herrscht Nervosität.“
Kennedy kündigte an, künftig Placebo-kontrollierte Studien für alle neuen Impfstoffe zu verlangen – ein ethisch und praktisch umstrittenes Vorgehen, das etwa bei Polio-Impfstoffen „Tausende Kinder gefährden“ könnte, so Rasmussen. Die Pharmaindustrie befürchtet, dass solche Vorgaben kostspielige Zulassungsprozesse weiter erschweren und Unternehmen von Entwicklung und Produktion abschrecken könnten.
Bereits jetzt verlieren Hersteller öffentliche Fördermittel: Moderna etwa verlor jüngst einen Vertrag zur Entwicklung eines Vogelgrippe-Impfstoffs. Das Unternehmen zeigt sich dennoch zuversichtlich und verweist auf zwei neue FDA-Zulassungen. Auch GSK und Novavax betonen in Stellungnahmen ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit Behörden und betonen die Bedeutung von Impfstoffen für die öffentliche Gesundheit.
Marktbeobachter wie Linden Thomson von Candriam sehen jedoch eine strukturelle Veränderung: „Seit dem Ende der Pandemie müssen Investoren nicht mehr zwingend in Impfstoffpipelines engagiert sein – und sie sind es auch nicht.“
Angesichts des enormen Marktvolumens – allein in den USA werden jährlich 9 Milliarden Dollar für die Behandlung impfpräventabler Krankheiten ausgegeben – hätte ein Rückzug der Hersteller weitreichende Folgen. Eine Reduzierung der Forschung und Entwicklung neuer Impfstoffe wäre wahrscheinlich die Konsequenz.