Sprossen sind ziemlich sicher EHEC-Quelle

Berlin/Bienenbüttel (dpa) - Durchbruch bei der EHEC-Fahndung: Erstmals gibt es eine klare Spur vom Sprossen-Betrieb in Bienenbüttel zum Patienten. Freispruch für Gurken, Tomaten und Salat. Verbraucher, Politiker und Bauern sind erleichtert. Endgültige Sicherheit steht aber noch aus.

An Sprossen aus dem niedersächsischen Biohof wurden erstmals Bakterien des aggressiven Typs O104 entdeckt, wie das nordrhein-westfälische Verbraucherschutzministerium am Freitag mitteilte. Der Darmkeim tötete mindestens 31 Menschen. Über 4000 sind bundesweit an EHEC erkrankt oder stehen unter Infektionsverdacht.

Für Gurken, Tomaten und Salat gab es Entwarnung. Ein Rest an Unsicherheit bleibe aber, betonte Nordrhein-Westfalens Verbraucherschutzminister Johannes Remmel (Grüne). Denn die untersuchten Sprossen stammen aus einer geöffneten Packung.

Diese lag in einer Mülltonne in der Nähe von Bonn. Zwei der drei dort wohnenden Familienmitglieder hätten Sprossen gegessen und seien Mitte Mai an EHEC erkrankt. Damit sei erstmals eine ununterbrochene Kette zwischen infizierten Sprossen aus Bienenbüttel und erkrankten Personen nachgewiesen, teilte das Ministerium mit.

Wie Remmel erläuterte, sind Mutter und Tochter der Familie aus Königswinter noch immer sehr schwer krank und können nicht befragt werden. Der Vater habe keine Sprossen gegessen und dann die nicht aufgebrauchte Packung den Behörden gebracht.

Der Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), Reinhard Burger, hatte am Vormittag in Berlin jüngste Ermittlungsergebnisse vorgestellt, die den Verdacht auf Sprossen bereits erhärteten.

Anderes Gemüse könne wieder ohne Bedenken gegessen werden, sagte Andreas Hensel, Präsident des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR). Vor dem Verzehr roher Salatgurken, Tomaten und Blattsalate insbesondere in Norddeutschland hatten RKI und BfR am 25. Mai gewarnt. Grundlage dafür waren Patientenbefragungen.

Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) gab sich zurückhaltend: Zahlreiche Analysen stünden noch aus, viele Spuren müssten noch zurückverfolgt werden. Unklar sei etwa, wie die Bakterien auf die Sprossen kamen.

Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) betonte nach der Beschränkung auf Sprossen, für die Bürger sei jetzt klarer, wie sie sich schützen könnten. Ähnlich äußerte sich der Sprecher von EU-Verbraucherkommissar John Dalli in Brüssel. Bauernpräsident Gerd Sonnleitner sagte dem Fernsehsender N24: «Das ist heute eine gute Botschaft für die deutschen und europäischen Gemüseerzeuger.»

EHEC-Entwarnung könne noch nicht gegeben werden, erklärte Bahr. Die Zahl der Neuerkrankungen sei aber deutlich rückläufig. Die Lage in vielen Krankenhäusern normalisiere sich sicherlich wieder. RKI-Chef Burger schränkte ein: «Der Ausbruch ist noch nicht vorbei.»

Der Hof in Bienenbüttel im Kreis Uelzen, der seit vergangenem Sonntag im Fokus der Öffentlichkeit steht, ist inzwischen komplett gesperrt und darf kein Gemüse mehr in den Handel liefern. Bisher galt das Verkaufsverbot nur für Sprossen. Der Betrieb sei nun definitiv als Hauptauslöser für die Erkrankungswelle ausgemacht worden, sagte Niedersachsens Landwirtschaftsminister Gert Lindemann (CDU).

Im Fall einer Kasseler Cateringfirma verfolgen die Behörden eine neue Spur. «Es besteht die Möglichkeit, dass sich Mitarbeiter zunächst selbst infiziert und danach den Keim wieder auf Lebensmittel übertragen haben», sagte Markus Schimmelpfennig vom Gesundheitsamt der Stadt. Die Firma hatte eine Familienfeier im Landkreis Göttingen beliefert. Fünf der rund 70 Gäste mussten laut niedersächsischem Gesundheitsministerium im Krankenhaus behandelt werden. Die Catering-Firma habe keine Sprossen ausgeliefert.

EHEC ist für ein Viertel der Bevölkerung in dieser Woche das wichtigste Problem in Deutschland, wie eine repräsentative Umfrage für das ZDF-«Politbarometer» ergab. Knapp ein Drittel (32 Prozent) der Befragten hält die eigene Gesundheit durch den Darmkeim für gefährdet, zwei Drittel (67 Prozent) sehen das nicht so.

Die Entwarnung für Gurken und Co platzte mitten in eine Aktion von Gemüsebauern und Händlern in Hamburg. Sie verschenkten in der Innenstadt tonnenweise Gemüse, um auf ihre drastischen Einbußen wegen der EHEC-Epidemie aufmerksam zu machen. Mitorganisator Jens Elvers berichtete anschließend: «Das hat sich so doll verbreitet, dass die Leute uns das Gemüse dann tütenweise aus der Hand gerissen haben.»

Laut Bauernpräsident Sonnleitner belaufen sich die Verluste für Gemüsebauern bei den drei Produkten Gurken, Tomaten und Salat bundesweit auf rund 65 Millionen Euro. Auf europäischer Ebene seien es bis zu 600 Millionen Euro.

Trotz der EHEC-Entwarnung für Gurken, Tomaten und Salat ist das Vertrauen in Gemüse aus Sicht von Branchenexperten nachhaltig erschüttert. «Die emotionale Angst ist noch immer da und die wird auch bleiben», sagte der Geschäftsführer des Deutschen Fruchthandelsverbandes, Andreas Brügger.

Russland will die Einfuhr von Gemüse aus den 27 EU-Staaten nur mit einer Sicherheitsgarantie wieder erlauben. Kremlchef Dmitri Medwedew und die Spitze der EU-Kommission verständigten sich auf ihrem Gipfel in Nischni Nowgorod auf das weitere Vorgehen. Demnach sollen einzelne Gemüsesorten dann eingeführt werden dürfen, wenn ein Labor sie speziell auf EHEC testet und entsprechend auszeichnet.

Spanische Gurken als EHEC-Träger hatte die Hamburger Gesundheitsbehörde öffentlich bekanntgemacht - später stellte sich allerdings heraus, dass es sich dabei um einen anderen Erregertyp handelte. Rechtsanwältin Sabine Pellens teilte mit, dass mit Frunet nun der erste spanische Obst- und Gemüsehändler vor Gericht zieht. Sie hatte beim Verwaltungsgericht der Hansestadt Eilantrag auf Akteneinsicht eingereicht, um angebliche Schlamperei der Hamburger zu belegen. Am Ende könnte es um Schadenersatz in Millionenhöhe gehen.

Gesundheit / Infektionen
10.06.2011 · 18:10 Uhr
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