SPD-Parteitag: Feldschlacht um Kurs und Personal

Berlin/Dresden (dpa) - Vieles ist möglich. Bestenfalls kann die SPD-Führung mit einem reinigenden Gewitter und einem kurzen Gedächtnis der Delegierten rechnen.

Bei dem an diesem Freitag in Dresden beginnenden SPD-Parteitag geht es darum, wie die ums Überleben kämpfende Traditionspartei aus einer der schwersten Krisen ihrer fast 150-jährigen Geschichte herauskommt. Einige offene Abrechnungen zeichnen sich auf dem dreitägigen Kongress ab. Und auch die eine oder andere bisherige SPD-Wahrheit dürfte kassiert werden.

Vielleicht sollten sich die Parteigranden einfach an die Anregung des Ortsvereins Neuhof-Unterkotzau-Wölbattendorf halten. «Der Parteivorstand möge beschließen, dass sich die SPD auf ein langfristiges Erscheinungsbild festlegt», verlangen die bayerischen Genossen. Überweisung wird dazu im tiefroten Antragsbuch empfohlen. Auf Nichtbefassung plädiert die zuständige SPD-Kommission beim Vorschlag des Ortsvereins Bielefeld-Calvinenfeld: «Ziel der SPD im Umgang mit der Linkspartei ist die Senkung von deren Stimmanteil auf fünf Prozent», steht dort.

Doch sonst will die hypernervöse Führung im Zeichen der vom künftigen Parteichef Sigmar Gabriel ausgerufenen «Glasnost»-Ära in der SPD der Basis geduldig zuhören. In der Dresdner Messehalle ist deshalb einiges anders als bei früheren Kongressen. Die Rednerliste, mit deren Hilfe immer wieder trickreich allzu unangenehme Debatten abgewürgt wurden, soll diesmal für alle auf der Parteitagsbühne lesbar sein. Dass von der neuen Redefreiheit reichlich Gebrauch gemacht wird, davon geht die Spitze aus. Notfalls sollen sogar die für Freitagabend angesetzten Wahlen der Führung auf den nächsten Tag verschoben werden. Sechs Wochen nach der krachenden Wahlschlappe wurde auch auf das sonst übliche optimistische Parteitagsmotto verzichtet.

Heikel ist schon der Auftakt, wenn Franz Müntefering das Wort ergreift. Gespannt wird darauf gewartet, ob der scheidende Parteichef seine endgültige Abschiedsrede zu einer Abrechnung mit seinen vielen Kritikern nutzt. Wahrscheinlich ist dies nicht. Erwartet werden aber eine schonungslose Lageanalyse der SPD und auch ein paar Worte der Selbstkritik. Dass dies seinen Kontrahenten reicht, ist aber kaum anzunehmen. Verübelt wird Müntefering, dass er in seinen letzten Amtstagen noch stark auf die Formulierungen im Leitantrag des Vorstands zum Parteitag Einfluss genommen hat.

Erst nach einer Kampfabstimmung wurde dort eingefügt, dass die SPD am 27. September eine «schwere» Niederlage» und nicht nur eine «Niederlage» erlitten habe. Der Antrag sei noch ein Erbstück Münteferings, sagt der Berliner Delegierte Mark Rackles unzufrieden. «Den brauchte er als Treppchen von der Bühne ins Parkett», meint der Sprecher der Hauptstadt-Parteilinken.

Auch Vertreter anderer Strömungen kommen durchweg skeptisch nach Dresden. «Es gibt eine kritische Distanz. Dass es zu einem Neuanfang reicht, muss erst noch bewiesen werden», beschreibt der einflussreiche Sprecher der Ruhr-SPD, Gelsenkirchens Oberbürgermeister Frank Baranowski, die Stimmung in seinen Reihen.

Gabriels Wahlergebnis dürfte wesentlich von seinem Auftritt abhängen. Selbst bei einem glänzenden Vortrag wird es zu einem Traumergebnis für den 50-Jährigen, der erkältet nach Dresden kommt, wohl kaum reichen. Die eher bescheidenen 77,7 Prozent bei seiner Nominierung durch den alten Vorstand waren bereits ein Warnschuss. Eine Verbesserung auf über 80 Prozent wäre bereits ein Erfolg. Auch seine künftige Generalsekretärin Andrea Nahles, die mit lediglich 66 Prozent Zustimmung ins Rennen geschickt wurde, dürfte in Dresden erneut auf viele Vorbehalte stoßen.

Schon bei der stundenlangen Debatte am Freitag dürfte sich abzeichnen, in welche politische Richtung die SPD in der Opposition steuern will. Unbedingt verhindern will auch die neue SPD-Spitze den radikalen Bruch mit der Agenda-Politik von Gerhard Schröder, der statt nach Dresden lieber in die USA gereist ist. Ob dies in allen Punkten gelingt, ist fraglich. Mehrere Anträge fordern die Rücknahme der von Müntefering forcierten Rente mit 67. «Das Rentenalter soll wieder gesenkt werden und eine Mindestrente eingeführt werden», verlangt etwa der bayerische Unterbezirk Mühldorf unmissverständlich. Auch über SPD-Klassiker wie die Wiedereinführung der Vermögenssteuer wird abgestimmt.

Auf eine offene Feldschlacht, um eine schwere Abstimmungsschlappe abzuwenden, richtet sich die SPD-Spitze bei einem anderen Konflikt mit der Basis ein, dem Einsatz in Afghanistan. «Der Bundeswehreinsatz ohne UN-Auftrag ist zu beenden», verlangt der Kreisverband Ostholstein - ähnlich wie andere SPD-Gliederungen. Eine Annahme würde vor allem den ehemaligen Außenminister und jetzigen Fraktionschef arg in Bedrängnis bringen. Prominente Parteifreunde raten Frank-Walter Steinmeier dringend, sich nicht zu sehr zu verkämpfen, auch wenn er in Dresden keine Wahl überstehen muss.

Parteien / SPD / Parteitag
12.11.2009 · 21:54 Uhr
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