Schuldenkrise: Wirtschaftsweise warnt vor Dominoeffekt

Mainz (dpa) - Nachdem auch Portugal unter den Euro-Rettungsschirm schlüpfen will, muss ein Übergreifen auf weitere Länder aus Sicht der Wirtschaftsweisen Beatrice Weder di Mauro verhindert werden.

Nach Überzeugung der einzigen Frau im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ist auch Schuldensünder Griechenland längst nicht saniert. Sollten die aktuellen Programme nicht ausreichen, müsse besser früher als später umgeschuldet werden, sagte die Professorin für Volkswirtschaftslehre an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz im dpa-Interview.

Mit Portugal schlüpft ein weiteres Land unter den Rettungsschirm. Ist ein Ende abzusehen oder folgt bald Spanien?

Weder di Mauro: «Die zunehmende Anspannung in Portugal war nicht zu übersehen. Die Frage wird sein, gelingt es, ein glaubwürdiges Programm aufzulegen, und das Land abzuschotten vom Rest des Euro-Raums, um weitere Ansteckungen zu verhindern. Diese Chancen stehen heute deutlich besser als vor ein paar Monaten.»

Es ist zu hören, dass einige Regierungen Umschuldungen für Griechenland erwägen. Welche Folgen hätte eine Umschuldung für die anderen Euro-Länder?

Weder di Mauro: «Die Situation Griechenlands ist einzigartig. Selbst wenn sich die Regierung an alle Komponenten des (Spar-) Programms hält, ist dennoch zunächst vorgesehen, dass der Schuldenstand weiter steigt. Damit steigen auch die Zinszahlungen weiter, das heißt ein bereits sehr hoch verschuldetes Land wird zunächst durch weitere Kredite in eine noch höhere Verschuldung überführt. Die Zinsen vom EFSF sind zwar etwas reduziert worden, dennoch werden für eine sehr lange Zeit Zinszahlungen einen so großen Anteil gemessen am BIP ausmachen, dass man sich wirklich fragen kann, ob das tragfähig ist.»

Und wenn nicht?

Weder di Mauro: «Wenn man zum Schluss kommt, es ist nicht tragfähig, und eine Umschuldung - ob über Laufzeitverlängerungen, Reduzierungen von Zinssätzen oder andere Instrumente - nötig wird, ist die Frage, sollte diese früher oder später geschehen. Für eine frühere Lösung spricht, dass viele Anleihen Griechenlands heutzutage noch im privaten Sektor gehalten aber laufend zurückbezahlt werden und somit die Gläubiger Griechenlands immer mehr der (Internationale Währungsfonds) IWF und die Länder der Eurozone sein werden. Ein Zuwarten mit der Umschuldung bedeutet also, dass der private Sektor weniger beteiligt werden kann oder der Schnitt sehr viel größer ausfallen müsste als heute. All das spricht dafür, dass für Griechenland relativ bald eine Lösung gefunden werden muss. Sie dürfte allerdings nicht unabhängig von anderen Problemländern angekündigt werden. Man bräuchte gleichzeitig eine Strategie, die für die anderen Länder, die in der akuten Behandlung sind.»

Besteht nicht die Gefahr der Ansteckung, weil die Märkte auch Umschuldungen in anderen Ländern nicht mehr ausschließen könnten?

Weder di Mauro: «Es kann auch Ansteckungen relativ solider Länder geben. Wegen dieser Gefahr, dass spekuliert werden könnte, wer als nächstes kommt, dürfte eine Lösung für Griechenland nicht isoliert betrachtet werden. Gleichzeitig müsste für Irland, das schon im Rettungsschirm ist, und auch für Portugal und vielleicht auch für Spanien klar ankündigt werden, wie mit den jeweiligen Situationen umgegangen wird. Es werden unterschiedliche Lösungen sein müssen, weil die Ursache der Probleme auch unterschiedlich ist.»

Ist Europa diese Probleme los, wenn die neue Kriseneinrichtung für pleitebedrohte Eurostaaten ESM von 2013 an steht?

Weder di Mauro: «Was ist der permanente Rettungsfonds anderes als ein Internationaler Währungsfonds für Europa mit einem Plus, weil er einige Instrumente hat, die der IWF nicht hat. Dennoch beobachten wir weltweit Zahlungsbilanzkrisen und Ansteckungen, obwohl es den IWF schon lange gibt. Wenn solche Krisen in der Eurozone in Zukunft verhindert werden sollen sind die präventiven Instrumente gefordert. Aber zunächst muss die aktuelle Krise bewältigt werden und in die private und öffentliche Verschuldung derart zurückführen, damit sie wieder tragfähig ist.»

Was fehlt dem ESM?

Weder di Mauro: «Ich hätte mir einen noch klareren Automatismus bei der Beteiligung des privaten Sektors gewünscht. Der Aspekt ist durchaus aufgenommen, das ist ein Plus gegenüber dem IWF. Aber es müssen hohe Hürden übersprungen werden und am Ende muss eine einstimmige Entscheidung für eine Umschuldung gefällt werden. Da gibt es politische Manövriermasse und deshalb wird die Beteiligung des privaten Sektors unvorhersehbar bleiben und nicht disziplinierend auf die Märkte wirken.»

EU / Finanzen / Portugal
07.04.2011 · 22:52 Uhr
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