
Samenspende-Kind - «Ich will wissen, wer mein Vater ist»
«Wie kommt es eigentlich, dass ich Papa gar nicht ähnlich sehe?» Rebecca Schmidt war zehn, als sie diese Frage stellte, eines Abends, als ihre Mutter am Bett sitzt. Rebecca erhält noch an diesem Abend die Antwort: Dass ihr Vater keine Kinder bekommen kann, es die Eltern aber trotzdem geschafft haben – durch die Samenspende eines unbekannten Mannes.
«Dann bin ich ja gar nicht echt», antwortet Rebecca an diesem Abend im Juni 1994 als erstes. Sie fühlte sich plötzlich wie in einem spannenden Krimi. Viele Fragen tauchten auf: Wer ist ihr wirklicher Vater? Weiß er, dass es mich gibt? Hat er noch andere Kinder? Doch Antworten blieben aus.
Heute ist Rebecca, die im wahren Leben anders heißt, 28 Jahre alt. Sie lebt in Köln, hat studiert. Wer ihr biologischer Vater ist, weiß sie noch immer nicht. Die Mutter hatte damals gegenüber des Samenspende-Instituts zugesichert, keine Nachforschungen anzustellen. Auch der Spender habe nicht erfahren, ob seine Spende nun erfolgreich war. Und das Samenspende-Institut beharrt auf der Anonymität der Spender.
Samenklinik mauert, Rebecca forscht
Weil sie wusste, in welcher Klinik sie «entstanden» sei, wie Rebecca sagt, nahm sie Kontakt auf, als sie volljährig wurde. Doch die Klinik sperrte sich, Nachfragen verebbten zunächst. Später ging der Arzt doch auf Rebecca zu und lud sie in die Praxis ein, führte sie durch die Räume, zeigte ihr die Neuerungen, war freundlich. Doch in einer Sache blieb Rebecca hartnäckig beim Nachfragen, der Arzt ebenso hartnäckig in der Ablehnung. Wer der Samenspender sei, der sie mit gezeugt habe, müsse sie doch nicht wissen. Schließlich hätte sie doch einen sozialen Vater, sagte der Arzt zu ihr.
«Ich habe zwei Väter», sagt Rebecca heute. Auch ihr biologischer Vater gehöre ja zu ihrem Leben, sie wolle ihn kennenlernen. Wie ihr tatsächlicher Vater aussehen könnte, habe sie sich nicht ausgemalt – um nicht enttäuscht zu werden. «Ich will wissen, wer der Mensch ist, von dem ich die Hälfte meiner Gene habe», sagt sie. Schließlich helfe es ihr auch, dass sie ihre Mutter kenne, so Rebecca – etwa die eigenen Schwächen, Stärken und Eigenarten bei jemandem wieder zu entdecken. «Es gibt einen Teil von mir, von dem ich nur wenig weiß. Mir würde es helfen, das Fragezeichen in meinem Kopf zu füllen, auch, um mich selbst besser kennenzulernen.»
Rund 100.000 Kinder sind in Deutschland laut Schätzungen bisher durch Samenspenden entstanden – doch nur ein Bruchteil von ihnen weiß überhaupt, dass der soziale nicht der biologische Vater sei. «Bei vielen wird danach nicht mehr drüber gesprochen, weil die Familie ja komplett ist», sagt Rebecca. Für ihre Eltern aber sei klar gewesen, die Tochter über ihre Herkunft aufzuklären.
Prozess gegen Samenklinik läuft
Ihre Eltern haben sich durch die Samenspende das Kinderglück erfüllt. «Ich rechne es meinen Eltern hoch an, dass sie recht früh mich aufgeklärt haben.» Allerdings findet sie, dass es mehr Beratung im Vorfeld der Samenspende geben müsse. Viele Fragen seien erst aufgetreten, als die Eltern wieder allein gewesen wären – zwar mit Kind, doch ohne Antwort.
Eine entschiedene Antwort hat Rebecca aber, wenn es um die anonyme Samenspende geht: Sie ist strikt dagegen. Das Recht auf die Kenntnis der eigenen Abstammung, vom Bundesverfassungsgericht betont, sei höher anzusiedeln als der Schutz der Privatsphäre des Spenders, findet sie. «Der Spender und die Eltern sind erwachsen und haben dem Prozess zugestimmt. Dann entsteht ein neuer Mensch – der sollte seine Persönlichkeitsrechte in Anspruch nehmen können», sagt Rebecca, die sich gemeinsam mit anderen Betroffenen im Netzwerk Spenderkinder engagiert. Sie tauschen sich aus, planen Aktionen, suchen Kontakt zu ehemaligen Samenspendern.
Derzeit, sagt Rebecca, sei eine Klage gegen den Essener Arzt auf Herausgabe der Spenderdaten anhängig. Sie hofft, dass ein Gericht zugunsten der Spenderkinder entscheidet, dass sich etwas tut. «Ich will schließlich irgendwann wissen, wer mein Vater ist.»