Investmentweek

Radikalkur für die Krankenkassen: Arbeitgeber wollen Familienversicherung kippen und Praxisgebühr zurückholen

03. November 2025, 07:00 Uhr · Quelle: InvestmentWeek
Radikalkur für die Krankenkassen: Arbeitgeber wollen Familienversicherung kippen und Praxisgebühr zurückholen
Foto: InvestmentWeek
Familienversicherung unter Druck: Rund fünf Millionen Ehepartner profitieren derzeit von der kostenlosen Mitversicherung – sie könnte bald Geschichte sein, wenn die Arbeitgeber ihre Reform durchsetzen.
Die BDA schlägt radikale Änderungen vor, um Kosten in der GKV zu senken, inklusive Beiträgen für mitversicherte Ehepartner. Die Reform könnte Beitragsätze senken, wirft aber Fragen zur Solidarität auf.

Abschied vom Familienbonus

Die Idee klingt nüchtern, hat es aber in sich: Wer über den Ehepartner kostenlos gesetzlich krankenversichert ist, soll künftig zahlen. Das fordert die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) in einem neuen Positionspapier zur Gesundheitsreform. Der Mindestbeitrag: rund 220 Euro im Monat.

Bislang können Ehepartner ohne eigenes Einkommen beitragsfrei mitversichert werden – ein Kernstück der solidarischen Krankenversicherung. Künftig soll Schluss damit sein. Laut Berechnungen der Arbeitgeber würden dadurch 2,8 Milliarden Euro zusätzlich in die Kassen fließen.

Für Familien wäre das eine spürbare Belastung. Für viele, die Teilzeit arbeiten oder Kinder betreuen, würde der monatliche Beitrag das Haushaltsbudget deutlich treffen.

Die Rückkehr der Praxisgebühr

Noch brisanter ist die zweite Forderung: die Wiederbelebung der Praxisgebühr. Zehn Euro pro Arztbesuch – jedes Mal, nicht nur einmal im Quartal wie früher. Offiziell, um „unnötige Arztbesuche zu vermeiden“.

Für die Arbeitgeber geht es um Steuerung, für viele Patienten dürfte es eher nach Abschreckung klingen. Wer häufig zum Arzt muss – chronisch Kranke, Ältere, Geringverdiener – würde deutlich mehr zahlen. Einsparpotenzial laut BDA: bis zu drei Milliarden Euro im Jahr.

Dass die Gebühr schon einmal gescheitert ist, scheint die Arbeitgeber nicht zu stören. Damals wurde sie abgeschafft, weil sie viel Bürokratie verursachte und kaum Wirkung zeigte. Jetzt soll sie als „Kontaktgebühr“ neu aufgelegt werden – mit demselben Ziel, aber strengerer Logik.

Medikamente billiger, Patienten informierter

Neben diesen harten Eingriffen schlagen die Arbeitgeber auch pragmatische Änderungen vor. So soll die Mehrwertsteuer auf Arznei- und Hilfsmittel von 19 auf sieben Prozent sinken. Begründung: Es sei schlicht nicht nachvollziehbar, warum Medikamente höher besteuert werden als Tierfutter oder Schokoriegel. Einsparung: 5,3 Milliarden Euro jährlich.

Außerdem sollen Versicherte künftig eine digitale „Patientenquittung“ erhalten – für jede Behandlung, automatisch in der elektronischen Patientenakte gespeichert. Das soll mehr Transparenz schaffen und zeigen, was Behandlungen tatsächlich kosten.

Bis zu 50 Milliarden Euro weniger Ausgaben

Unterm Strich kalkuliert die BDA mit gewaltigen Einsparungen. Im optimistischen Szenario könnten bis zu 50 Milliarden Euro pro Jahr zusammenkommen. Realistischer seien 30 bis 40 Milliarden – immerhin rund zehn Prozent der jährlichen GKV-Ausgaben.

Das würde reichen, um die Beitragssätze von derzeit durchschnittlich 17,5 Prozent auf 15,5 bis 16 Prozent zu senken. Für Arbeitgeber und Arbeitnehmer jeweils eine Entlastung von 41 bis 55 Euro im Monat. Im besten Fall sogar bis zu 69 Euro.

Reform oder Angriff auf das System?

Was die Arbeitgeber als Modernisierung sehen, wirkt auf viele wie ein sozialpolitischer Rückschritt. Das Ende der beitragsfreien Familienversicherung würde vor allem Haushalte mit nur einem Haupteinkommen treffen. Die Praxisgebühr könnte Menschen davon abhalten, rechtzeitig zum Arzt zu gehen – mit teuren Spätfolgen.

Sozialverbände warnen bereits vor einer Entsolidarisierung des Gesundheitssystems. Auch politisch dürfte die Debatte hochkochen. Die Bundesregierung will die Sozialabgaben stabil halten, doch eine so radikale Strukturreform birgt Konfliktpotenzial.

Eine neue Front im Streit um die Sozialbeiträge

Die Arbeitgeber präsentieren ihr Konzept als „Reformvorschläge für 2026“. Noch ist offen, ob daraus mehr wird als ein Diskussionspapier. Doch eines steht fest: Es greift tief in ein System ein, das über Jahrzehnte auf Solidarität gebaut wurde.

Wenn Arztbesuche künftig Geld kosten und Ehepartner plötzlich eigene Beiträge zahlen müssen, wird die Frage laut: Wie viel Gemeinschaftsgeist darf sich ein Gesundheitssystem noch leisten – und wie viel Markt will es wirklich?

Finanzen / Wirtschaft / Gesundheitsreform / Krankenkassen / Sozialbeiträge
[InvestmentWeek] · 03.11.2025 · 07:00 Uhr
[0 Kommentare]
Kostenloses Stock Foto zu aktienmarkt, analyse, analysieren
HashKey Holdings Limited hat einen bedeutenden Schritt in Richtung einer öffentlichen Notierung als erster Krypto-Börse Hongkongs unternommen. Das Unternehmen hat seinen Börsengang (IPO) eingereicht und die Zeichnungsfrist für lokale und internationale Investoren eröffnet. Ein Novum für Hongkong Gemäß dem Prospekt bietet HashKey im globalen Verkauf 240,57 Millionen Aktien an, von denen etwas […] (00)
vor 1 Stunde
Papst empfängt Präsidenten der Ukraine
Kiew/Rom (dpa) - Nach der Überarbeitung des US-Friedensplans für die Ukraine wirbt Präsident Wolodymyr Selenskyj in Europa weiter um Unterstützung auf dem Weg zu einem Ende des russischen Angriffskrieges. In Rom traf der ukrainische Staatschef zunächst Papst Leo XIV., am Nachmittag stehen Gespräche mit Italiens Regierungschefin Georgia Meloni an. Unterdessen wird gespannt auf eine Reaktion der USA […] (01)
vor 1 Minute
Whoopi Goldberg
(BANG) - Whoopi Goldberg ist zum zweiten Mal Urgroßmutter geworden. Die 70-jährige Schauspielerin verriet, dass ihr Enkel Mason Dean und dessen Freundin Hylee Whitley ihr erstes gemeinsames Kind auf der Welt begrüßt haben. Während der Aufzeichnung von 'The View' am Montag (08. Dezember) sagte sie: "Ich möchte heute damit beginnen, weil ich schöne Neuigkeiten vom Wochenende habe. Meine Familie hat […] (00)
vor 4 Stunden
Eine Frau mit Smartphone im Supermarkt
Berlin (dpa/tmn) - An starken und für jeden Einsatzzweck einzigartigen Passwörtern führt kein Weg vorbei - auch nicht bei Nutzerkonten von Bonussystemen oder Rabattprogrammen. Am besten aktiviert man auch da überall, wo es möglich ist, die sogenannte Zweifaktor-Authentisierung (2FA). Diese zusätzliche Code-Abfrage hindert Angreifer daran, sich anmelden zu können, selbst wenn sie das Passwort […] (00)
vor 11 Minuten
Von der Ablehnung zum Höhenflug: Wie der Microsoft Flight Simulator 2024 die PS5 eroberte
Manchmal braucht es mehr als nur eine gute Idee, um Mauern einzureißen; es braucht den richtigen Zeitpunkt und ein wenig Schützenhilfe von unerwarteter Seite. Dass der Microsoft Flight Simulator 2024 heute elegant auf der PlayStation 5 landet, wirkt fast wie ein Wunder, wenn man bedenkt, wie steinig der Weg dorthin war. Jorg Neumann, der visionäre Kopf hinter dem Franchise, lüftete kürzlich in […] (00)
vor 41 Minuten
Telekom zeigt die Melon Music Awards 2025
Die südkoreanischen Awards werden seit dem Jahr 2009 verliehen. Als beste männliche Gruppe sind unter anderem BoyNextDoor, Plave, Riize und Seventeen nominiert. Die Telekom holt eines der größten K-Pop-Events der Welt nach Deutschland: Die Melon Music Awards 2025 (MMA2025) werden am 20. Dezember erstmals hierzulande live übertragen. Die Preisverleihung aus dem Gocheok Sky Dome in Seoul läuft ab 9.00 Uhr deutscher Zeit im kostenlosen Livestream […] (00)
vor 2 Stunden
Mitgliederversammlung des FC Bayern München
München (dpa) - Im Zwist um die Gründung eines Ligaverbandes und einer gemeinsamen GmbH im Frauenfußball nimmt Bayern Münchens Vorstandschef Jan-Christian Dreesen den DFB-Boss Bernd Neuendorf in die Pflicht. Die Vereine werfen dem Deutschen Fußball-Bund vor, am Ende der Verhandlungen «wesentliche bereits verhandelte Eckpunkte infrage zu stellen», wie Dreesen sagte. «Das hat uns 14 Clubs nicht nur […] (00)
vor 17 Minuten
Prismo Metals - Der Fokus verschiebt sich entscheidend
Hamburg, 09.12.2025 (PresseBox) - Wie bei vielen anderen Unternehmen verschiebt sich auch bei Prismo Metals (CSE: PRIZ, FRA: 7KU, WKN: A2QEGD) in diesen Tagen der interne Fokus zunehmend auf das Jahr 2026. Diesem sieht das Unternehmen sehr gespannt und optimistisch entgegen, denn schon im Januar soll ein neues Bohrprogramm gestartet werden. Es ist voll finanziert und wird dazu beitragen, dass […] (00)
vor 1 Stunde
 
Warum Nestlé seine Marktführerrolle verspielt – und wie riskant der Umbau wird
Ein Satz hallt derzeit durch die Werke von Nestlé – und er bringt die Lage auf den Punkt: „Wir […] (00)
Kostenloses Stock Foto zu banknoten, bargeldlose gesellschaft, berlin
Berichten zufolge hat die zweitgrößte Bankengruppe Frankreichs damit begonnen, Kunden den […] (00)
Die mächtigen Unbekannten: Wer wirklich Einfluss auf die globale Zukunft hat
Der unsichtbare Architekt der indischen Wissensökonomie Shiv Nadar gehört zu den […] (00)
Kinderarbeit und Umweltverschmutzung in Bangladesch
Brüssel (dpa) - Die EU will das europäische Lieferkettengesetz zum Schutz von Menschenrechten […] (05)
Swiss Re hebt die Messlatte für 2026 – und verspricht mehr Geld für Aktionäre
Der Schweizer Branchenriese rechnet 2026 mit einem Nettogewinn von 4,5 Milliarden Dollar. Damit […] (00)
Die Zeit drängt: Große Enthüllungen zu Lords of the Fallen 2 stehen kurz bevor
Wenige Dinge haben die Aufmerksamkeit der Zuschauer im Vorfeld der Game Awards so sehr […] (00)
Sydney Sweeney
(BANG) - Sydney Sweeney hat keine Schönheitsoperationen machen lassen, weil sie "so große Angst […] (00)
Mainstream Media AG bringt KultKrimi & Co. zu Magenta
Vier weitere Channels der Mainstream Media AG sind ab sofort kostenlos verfügbar – von Retro-Krimi bis […] (00)
 
 
Suchbegriff