Pharmaindustrie: Molekülmaschine soll die chemische Synthese revolutionieren
In einer Welt, in der immer mehr Arbeitsschritte automatisiert werden, ist die Entwicklung von neuen Arzneimitteln auch weiterhin ein Vorgang, der in mühsamer Handarbeit durchgeführt werden muss. Ein amerikanischer Wissenschaftler möchte dies ändern: Mit einer Molekülmaschine möchte er den Vorgang der chemischen Synthese revolutionieren.
Ein junge Chemiker mit einer Vision
Der Mann, der die Chemie revolutionieren will, heißt Martin Burke. Er promovierte in Chemie an der renommierten Universität Harvard studiert, und als Student war er voller Ideale: Er wollte Medikamente erfinden – die Welt verändern. Nach dem Studium wurde er – wie zahllose Chemikergenerationen vor ihm – schnell ernüchtert: Denn wer in der Chemie neue Wirkstoffe oder Arzneien sucht, der muss vor allem eines: wochenlang kochen. Der Weg zu neuen Medikamenten dauert oft mehrere Jahrzehnte, es ist eine wahre Sisyphusarbeit.
Burke stand kurz davor, alles hinzuschmeißen. Bis er in einer Kneipe in der Nähe des Campus seinen Freund Rahul Kohli traf. Dieser arbeitete mit Poptiden, und während die beiden Bier tranken, stand in seinem Labor eine Maschine, die diese Poptide für ihn ausdruckte und all die Schritte übernahm, die Burke zur Verzweiflung trieben.
In seinem Kopf formte sich der Plan, eine ähnliche Maschine auch für chemische Synthese zu konstruieren. Ein Vorhaben, dem in der Chemiker-Gemeinde mit Skepsis begegnet wurde. “Organische Chemie gilt traditionell als hohe Kunst, die nur wenige meistern. Burkes Idee, sie zu standardisieren, widerspricht dieser Philosophie”, erklärt der Chemiker Derek Lowe, der für Vertex Pharmaceuticals forscht. Die Chemiker-Gemeinde empfand Burkes Idee nahezu als persönlichen Affront.
Der steinige Weg zum Ergebnis
Der junge Mann ließ sich nicht aufhalten, und heute steht das Ergebnis in den Burke Laboratories in der Näher der Universität Illinois. Der Prototyp von Burkes “Molekülmaschine” hat das Potenzial, die Chemie zu verändern. Auch Experten wie Derek Lowe sind beeindruckt. Burkes Maschine bringe das Ende der klassischen Synthese in Sichtweite.
Burke versucht mit seiner Maschine, die Chemie in ein Puzzle zu verwandeln. Es gibt unzählige organische Verbindungen, aber Burke versucht, sie mit einer Abfolge simpler Reaktionen zusammenzusetzen. Reaktionen, die so simpel sind, dass eine Maschine sie ausführen kann. Mit Peptiden – den großen Bausteinen, mit denen sein Freund Kohli experimentierte – funktioniert das gut. Die meisten anderen Moleküle sind aber zu komplex, um sie auf ähnliche Art und Weise einfach aufzufädeln.
Burke ließ sich jedoch nicht abschrecken. Die chemische Fakultät der Universität Illinois – Burkes nächste Station nach seiner Promotion in Harvard – stellte ihm ein eigenes Labor samt Arbeitsgruppe zur Verfügung, um an seinem Projekt zu arbeiten.
In den ersten Jahren untersuchte das Team Naturbausteine auf Gemeinsamkeiten und fand derer erstaunlich viele. “Die Natur scheint einen Großteil der organischen Verbindungen nach dem Lego-Prinzip zu erschaffen. Sogar Moleküle, die auf den ersten Blick ganz unterschiedlich erscheinen, lassen sich offenbar aus den gleichen Einzelteilen zusammenbauen”, so Burke. Auch wenn diese Bausteine nicht leicht herzustellen sind, so ist es doch erheblich einfacher, als ganze Moleküle herzustellen.
Was noch fehlte, war ein Werkzeug, um diese Lego-Steine zusammenzusetzen. Burke griff hierfür auf ein Verfahren zurück, das der japanische Chemiker Akira Suzuki bereits in den 1970er Jahren entwickelt hatte und mit dem sich Kohlestoffverbindungen einfach miteinander verkuppeln lassen. Das Verfahren wurde 2010 mit einem Nobelpreis ausgezeichnet.
Als letzten Schritt fanden die Forscher 2007 ein Molekül, dass sie auf den Namen Mida tauften. Es hält die Bausteine davon ab, nicht gewollte Reaktionen einzugehen und exponiert sie bei der Zugabe eines Lösungsmittels.
Burkes Molekülmaschine: Revolution der Chemie?
Nun steht in Burkes Labor also ein Prototyp, der bisher 14 kleine Klassen organischer Moleküle herstellen kann. Dazu zählen sowohl medizinische Wirkstoffe als auch Stoffe, die in Solarzellen verwendet werden. Bisher sind allerdings nur 200 Bausteine verfügbar. Um die bekannten Naturstoffe auch nur ansatzweise erzeugen zu können, sind nach Burkes Schätzung etwa 5000 Bausteine erforderlich. Burke ist aber optimistisch, das sein Team diese finden und herstellen wird.
Das Team hat also noch viel Arbeit vor sich. Ob Burke mit seiner Maschine wirklich die Chemie revolutionieren kann, wird sich in den nächsten Jahren zeigen. Weitere Details zu dem Verfahren lassen sich auf Zeit.de nachlesen.