Mitfahrgelegenheiten - Das wilde Leben auf der Straße
Früher war die Auswahl begrenzt. Wenn sich bei der örtlichen Mitfahrzentrale kein Fahrer registriert hatte, musste man eben doch selbst fahren. Oder teuer die Bahn nehmen. Das Internet macht es dem mobilen Menschen sehr viel leichter. Dass sich bei mitfahrgelegenheit.de niemand für die geplante Strecke eingetragen hat, ist unwahrscheinlich. Und sollte es so sein, gibt es ja immer noch zig andere Seiten, die sich nach Hamburg-Berlin, München-Heidelberg, Köln-Karlsruhe durchforsten lassen.
Allein mitfahrgelegenheit.de hat nach eigenen Angaben 3,8 Millionen registrierte Nutzer, und das, obwohl man sich nicht einmal registrieren muss, um Gebote einzusehen. Laufend stehen rund 650.000 Fahrangebote zur Verfügung, nicht nur innerhalb Deutschlands, sondern in 45 Länder.
Wer schnell mal weg sein will, wählt einfach die angegebene Telefonnummer, und ein paar Stunden später ist er mit wildfremden Menschen unterwegs. Die wilde Mischung, die dabei entsteht, birgt einiges an Potential. Petra Brumshagen und Nina Petersmann, die beide in Heidelberg leben und gerne mitfahren und mitnehmen, haben auf den Straßen so viel erlebt, dass sie ein ganzes Buch mit kuriosen Episoden vollschreiben konnten.
Die Omi, die sich noch mit Küsschen von ihrem Mann verabschiedet und dann der jugendlichen Meute im Wagen verrät, sie fahre zu ihrem Liebhaber. Das neunjährige Mädchen in Heidelberg, das den Platz ganz allein gebucht hat, um seinen Freund Timo in München zu besuchen. Der freakige Mitfahrer, der die Fahrerin und alle anderen zwingt, die Handys auszuschalten, das Radio schweigen zu lassen und dann noch den Duftbaum aus dem Fenster wirft.
Weitere Kostproben finden Sie hier in unserer Bilderstrecke.
Warum Fahrer mit großen Bussen verdächtig sind
Im mannigfaltigen Magma der Mitfahrer, die Kosten sparen und unsere Umwelt schonen wollen, finden sich natürlich auch diverse Gauner, die sich selbst an der Reiselust bereichern. Wenn der T4-Bus gleich nach der Ankunft in Berlin schon wieder Leute für die Retourkutsche nach Leipzig einlädt, weiß man Bescheid: Hier ist ein kommerzieller am Werk.
Bewusste Mitfahrerinnen wie Petra und Nina ärgert so etwas. Auch den Zoll, denn das nicht angemeldete Gewerbe ist nichts anderes als Schwarzarbeit. So richtig gezielt allerdings verfolgt man die Busfahrer nicht. «Wir müssen natürlich effektiv vorgehen und ermitteln vor allem, wo der Schaden am größten ist», sagt Michael Kulus, Sprecher der Berliner Zollbehörde, news.de. Und das ist dann doch eher der Bauunternehmer, der 50 Leute schwarz arbeiten lässt und ihnen natürlich auch keine Sozialversicherung zahlt. Der Aufwand, schwarzen Fahrern aufzulauern, lohnt nicht so sehr - obwohl Kulus betont, auch dem werde natürlich nachgegagen.
In jedem Fall machen sich die schwarzen Fahrer strafbar, und das nicht nur wegen der Schwarzarbeit. Sie verstoßen zudem gegen das Personenbeförderungsgesetz. Demnach muss jeder, der Leute mitnimmt, eine behördliche Genehmigung haben, wenn das Geld, das er einnimmt, die Betriebskosten der Fahrt übersteigt. Und drittens verstößt er auch gegen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen zum Beispiel von mitfahrgelegenheit.de.
Trotzdem blüht das schwarze Gewerbe. Auch freie Plätze bei Dienstfahrten werden inzwischen verschachert. Da droht dann am Ende noch der Rausschmiss aus dem Job.
Autorinnen: Petra Brumshagen und Nina Petersmann
Titel: Hinsetzen, anschnallen, Klappe halten
Verlag: Heyne
Umfang: 191 Seiten
Preis: 8,99 Euro