Mehr Soldaten nach Afghanistan - danach Rückzug

Berlin (dpa) - Die Bundesregierung will spätestens im nächsten Jahr mit dem schrittweisen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan beginnen und möglichst bis 2014 alle Soldaten nach Hause holen. Nach dem Vorbild der USA soll das deutsche Kontingent zuvor aber aufgestockt werden - um 850 auf 5350 Soldaten.

Zugleich werden rund 100 Polizeiausbilder mehr nach Afghanistan geschickt, die Entwicklungshilfe verdoppelt und ein Programm für aussteigewillige Taliban unterstützt.

Mit dieser neuen zivil-militärischen Strategie gehe Deutschland gut vorbereitet in die Afghanistan-Konferenz am Donnerstag in London, erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Dienstag in Berlin. «Es wird jetzt die Etappe der Übergabe der Verantwortung an die afghanische Regierung beginnen.» Es gehe auch um Versöhnung in Afghanistan. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) sagte: «Das kann der Wendepunkt werden.»

Merkel betonte, Voraussetzung für den kompletten Abzug sei, dass Präsident Hamid Karsai sein eigenes Ziel erreiche, wonach Afghanistan 2014 selbst für seine Sicherheit sorgen soll. Merkel empfing Karsai am Dienstagabend zum Abendessen im Kanzleramt. Zudem ist an diesem Mittwochmorgen ein Arbeitsfrühstück geplant. Westerwelle sagte: «Ziel ist es, den Prozess der Übergabe der Verantwortung noch in diesem Jahr zu beginnen.» Bereits ab 2011 solle die deutsche Truppe dann verkleinert werden. In der Regierung wurde nicht ausgeschlossen, dass der Rückzug in einzelnen Regionen schon im laufenden Jahr eingeleitet wird.

Die neue Strategie sei mit Großbritannien und Frankreich abgestimmt, auch zu den USA gebe es Kontakte, sagte Merkel. Sie betonte zugleich, trotz der massiven Truppenaufstockung der USA im deutschen Verantwortungsbereich in Nordafghanistan werde die Bundeswehr weiterhin den militärischen Befehlshaber stellen. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) teilte mit, bis zu 5000 US-Soldaten würden allein im Norden stationiert.

Das Kontingent der Bundeswehr soll zunächst um 500 Soldaten für «Schutz und Ausbildung» und 350 für eine «flexible Reserve» etwa zur Beobachtung von Wahlen erhöht werden. Die endgültige Entscheidung darüber trifft wie bei jedem Bundeswehr-Auslandseinsatz der Bundestag. Merkel betonte ferner, alle Ergebnisse stünden unter dem Vorbehalt der Konferenz in London.

Sie räumte ein, der Einsatz sei weiterhin «mit erheblichen Gefährdungen verbunden, wie wir ja auch jeden Tag sehr leidvoll erfahren». Die Bundeswehr werde künftig «Ausbildungs- und Schutzbataillone» schaffen. Dabei gehe es sowohl um den Schutz der Bevölkerung als auch um die Ausbildung der afghanischen Soldaten. Das sei ein «neuer defensiver Ansatz». Die «offensiven Kräfte» würden innerhalb des Kontingents umgeschichtet.

Die Mittel für den zivilen Wiederaufbau sollen von derzeit 220 auf 430 Millionen Euro pro Jahr erhöht werden. «Das ist ein großer Schritt», sagte Merkel. Insgesamt 50 Millionen Euro will Deutschland in den nächsten fünf Jahren in einen internationalen Fonds für die gesellschaftliche Wiedereingliederung von Taliban einzahlen. Aus diesem Fonds von insgesamt 350 Millionen Euro soll Mitläufern ein Ausweg aus der Radikalität angeboten werden. «Wer kein Auskommen hat, ist leichter verführbar, auf der falschen Seite mit Taliban mitzukämpfen», sagte Merkel. Mit einer beruflichen Perspektive könne das ganz anders aussehen. Über den Fonds solle bei einer weiteren internationalen Konferenz im Frühjahr in Kabul entschieden werden. Für die Bundeswehr in Afghanistan wird Deutschland 2010 rund eine Milliarde Euro ausgeben.

Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel (FDP) erklärte, die schnelle Eingreiftruppe («Quick Reaction Force», eine Kampftruppe) solle praktisch aufgelöst und in die Ausbildung für afghanische Sicherheitskräfte überführt werden. Merkel sagte, damit würden künftig 1400 deutsche Soldaten Ausbildung leisten - bisher seien es 280 gewesen. Die Zahl der Polizisten soll von derzeit 123 auf 200 erhöht werden. Damit sei Deutschland in der Lage, pro Jahr 5000 afghanische Polizisten auszubilden. Bis 2011 werde dann im deutschen Verantwortungsbereich im Norden des Landes die «notwendige Versorgung» mit ausgebildeten Polizisten sichergestellt sein. Nach Angaben von Innenminister Thomas de Maizière (CDU) stellt Deutschland 60 Polizisten für die EU-Mission EUPOL (bisher 45).

Verhaltene Zustimmung zum Strategiewechsel der schwarz-gelben Regierung signalisierten SPD und Grüne. Die Bundesregierung habe sich deutlich auf die Forderungen der Opposition zubewegt. Das gelte insbesondere für die Zusicherung, dass keine weiteren deutschen Kampftruppen entsandt werden sollen, sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel. Es sei aber noch zu früh zu sagen, ob die SPD im Bundestag den Plänen zustimmen werde, ergänzte Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. Auch die Grünen halten ihre Zustimmung offen. Vor allem die Erhöhung der Truppenzahl werde «sehr kritisch» gesehen, sagte die Grünen-Fraktionschefin Renate Künast der dpa. Die Linke meinte, Truppenausbildung bedeute Begleitung ins Gefecht und gemeinsamen Kampf. Das sei nicht defensiv, sondern die nächste Eskalation.

Konflikte / Afghanistan / Deutschland
26.01.2010 · 20:44 Uhr
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