Linke treibt Programmdebatte voran
Hannover (dpa) - Wie hoch sollen die Hürden für eine Regierungsbeteiligung gesteckt werden? Das ist eine der Kernfragen in der Programmdebatte der Linken. Ein Jahr hat die Partei noch Zeit, ihre inhaltliche Neuausrichtung vorzubereiten.
Trotz Differenzen in zentralen Fragen zog die Linke-Führung eine positive Zwischenbilanz der Debatte über ein neues Parteiprogramm. Parteichefin Gesine Lötzsch forderte am Sonntag auf einem Konvent in Hannover allerdings eine stärkere Orientierung an den politischen Realitäten: «Wir sollten uns nicht gegenseitig mit unseren Theoriegebäuden erschlagen.»
Ihr Vorgänger Oskar Lafontaine, einer der maßgeblichen Autoren des Programmentwurfs, sprach sich für eine klare Abgrenzung gegen SPD und Grünen aus. Diese beiden Parteien seien die Hauptkonkurrenten im politischen Wettbewerb. Streit gibt es in der Linken vor allem noch über die Bedingungen für eine Regierungsbeteiligung sowie über die Frage, ob Auslandseinsätze der Bundeswehr gänzlich ausgeschlossen werden sollen.
Im März hatte eine 16-köpfige Kommission mit den damaligen Parteivorsitzenden Lafontaine und Lothar Bisky an der Spitze nach zweieinhalbjährigen Beratungen einen 25-seitigen Programmentwurf vorgelegt. Darin wird unter anderem gefordert eine Verstaatlichung von Banken, Streik als politisches Instrument, die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich und eine Auflösung der NATO. In den nächsten Monaten soll der Entwurf überarbeitet und Ende nächsten Jahres in einer Urabstimmung verabschiedet werden. Bisher gibt es nur programmatische Eckpunkte als Basis für die Parteiarbeit.
Parteichef Klaus Ernst bezeichnete die Linke als Erfolgsmodell. «Wir sind ein praktischer Korrekturfaktor der neoliberalen Politik geworden», sagte er. «Und nun geht es darum, dass wir noch stärker zum Motor für einen sozialen, demokratischen und friedlichen Wandel werden.»
Lafontaine verteidigte den Entwurf zum Abschluss des Konvents unter heftigem Beifall von mehreren hundert Parteimitgliedern. «Wir brauchen ... keine zweite SPD», sagte er. Kritik an dem Programmentwurf begrüßte Lafontaine. «Wir wollten eine lebendige Debatte. Und Kritik macht uns wach.»
Die Bedingungen für Regierungsbeteiligungen werden vor allem von den ostdeutschen Landesverbänden torpediert, die teilweise schon Erfahrungen in Landesregierungen gesammelt haben. Laut Entwurf sind Privatisierungen und Sozialabbau ebenso Ausschlusskriterien für eine Regierungsbeteiligung wie militärische Auslandseinsätze der Bundeswehr. Die stellvertretende Vorsitzende Sahra Wagenknecht verteidigte die Festlegung einer roten Linie. Man dürfe sich nicht «unter Verkauf der Interessen unserer Wähler» an Regierungen beteiligen.
Parteichef Ernst schloss eine Tolerierung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr aus. «Aus meiner Sicht haben wir keinen Grund, unsere klare Ablehnung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr zu verändern.» Er sprach sich dafür aus, den Vorschlag Lafontaines aufzugreifen, eine «Grünhelm»-Truppe für Katastrophenbekämpfung im Ausland aufzubauen. Reformer um den Berliner Bundestagsabgeordneten Stefan Liebich fordern, die Beteiligung an UN-Missionen nicht gänzlich auszuschließen.