Kaufinteressent für Thyssenkrupps Stahlsparte setzt auf staatliche Fördermittel
Jindal setzt auf Europas Klimapolitik
Misra verweist darauf, dass Europa derzeit der einzige Stahlstandort sei, in dem die Umstellung auf emissionsarme Produktion finanziell belohnt werde. Länder wie Niederlande und Slowakei hätten jüngst umfangreiche Fördermittel für nationale Stahlhersteller bereitgestellt, um die Transformation voranzubringen.
Für Jindal ist dies ein strategischer Vorteil: Regulierung und Klimapolitik schaffen aus Sicht des Unternehmens einen Markt, der den Einsatz teurerer, CO₂-armer Technologien rechtfertigt. „Wir glauben an grünen Stahl – auch, weil die Regulierung diesen Wandel unterstützt“, so Misra.
Milliardeninvestitionen geplant – trotz unklarem Kaufpreis
Im September hatte Jindal Steel International ein unverbindliches Angebot für TKSE abgegeben und Investitionen in Höhe von zwei Milliarden Euro in Aussicht gestellt. Derzeit läuft die intensive Prüfung der Bücher. Offen ist weiterhin, ob Thyssenkrupp im Fall eines Verkaufs sogar einen negativen Kaufpreis akzeptieren müsste – also selbst Mittel zuschießt, um die Sparte abzugeben.
Die IG Metall hat bereits einen umfangreichen Forderungskatalog formuliert, darunter Standort- und Beschäftigungssicherungen. Die Gewerkschaft fordert von den Jindals klare Zusagen für Duisburg und die übrigen TKSE-Werke.
Subventionen als Voraussetzung?
Ob Jindal im Falle einer Übernahme weitere staatliche Fördermittel erwartet, ließ Misra bewusst offen. Der Markt für grünen Stahl sei im Entstehen, die Wirtschaftlichkeit hänge von variablen Größen ab: Wasserstoffpreise, CO₂-Kosten, Nachfrage der Industrie. Sicher ist für Jindal nur eines: Ohne politische Flankierung wird klimafreundliche Stahlproduktion kaum profitabel sein.
Gleichzeitig betonte Misra, dass die Branche perspektivisch vom wachsenden Bedarf an CO₂-armen Materialien profitieren werde. „Wir wollen den Wandel vollziehen, weil wir fest daran glauben, dass er wirtschaftlich sinnvoll ist“, sagte er. Voraussetzung ist jedoch ein funktionierender Markt, der klimafreundlichen Stahl nicht zum Nischenprodukt macht.
Global aufgestellt, zunehmend europäisch
Die Jindal-Gruppe gehört zu den größten Stahlproduzenten Indiens. Über die Holding Jindal International steuert die Unternehmerfamilie ihre globalen Aktivitäten: Kohle- und Erzminen in Mosambik und Kamerun, ein Stahlwerk im Oman, sowie die jüngste Übernahme des tschechischen Stahlherstellers Vitkovice Steel.
Mit Thyssenkrupp Steel Europe könnte erstmals ein deutsches Großwerk in das Portfolio des Konzerns rücken – ein Projekt mit erheblichem strukturellem Risiko, aber auch strategischer Bedeutung. TKSE ist einer der größten Standorte für Flachstahl in Europa und spielt eine zentrale Rolle in der deutschen Industrie.
Ein Deal mit Signalwirkung
Politik und Branche beobachten die Verhandlungen mit großer Aufmerksamkeit. Der mögliche Einstieg eines indischen Stahlkonzerns in den deutschen Kernindustriesektor wäre ein Einschnitt – und ein Test, ob der Übergang zur klimafreundlichen Stahlproduktion ohne massiven Staatseinsatz überhaupt tragfähig ist.
Für Thyssenkrupp steht viel auf dem Spiel: Das Traditionsunternehmen kämpft seit Jahren mit Verlusten in der Stahlsparte. Für Jindal wäre der Deal ein großer Schritt in den europäischen Markt. Und für den deutschen Staat dürfte sich die Frage stellen, wie weit er bereit ist, die Transformation der energieintensiven Grundstoffindustrie finanziell zu stützen.


