Jung wegen Luftangriff in Bedrängnis

Berlin (dpa) - Ex-Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) hält trotz des Informationsdesasters nach dem Luftangriff auf zwei Tanklastzüge in Afghanistan an seinem Kabinettsposten fest.

Trotz des Vorwurfs, in der Bundeswehr seien Informationen über zivile Opfer zurückgehalten worden, sagte der heutige Arbeitsminister am Donnerstag im Bundestag, er habe sich frühzeitig um eine Aufklärung bemüht. «Ich denke, (...) dass ich sowohl der Öffentlichkeit als auch das Parlament korrekt über meinen Kenntnisstand hinsichtlich dieser Vorgänge informiert habe.» Die Opposition fordert weiterhin Jungs Rücktritt. Der neue Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) kündigte eine lückenlose Aufklärung der Pannenserie an.    

Jungs Nachfolger Guttenberg hatte am Vormittag mitgeteilt, dass er Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan und Staatssekretär Peter Wichert auf deren Wunsch entlassen habe. «Es war leider in der Sache notwendig», sagte er am Abend im ZDF. Die SPD verlangt in einer Sondersitzung des Verteidigungsausschusses an diesem Freitag, dass alle Fakten auf den Tisch kommen. «Ich werde dem Parlament alle mir zugänglichen Akten zur Verfügung stellen», betonte Guttenberg. «Es muss deutlich gemacht werden, welche Wege tatsächlich zu dieser Nicht-Information oder zu diesen teilweise sehr mangelhaften Informationen geführt haben.»

Hintergrund der Turbulenzen für die erst vier Wochen amtierende schwarz-gelbe Koalition ist ein Bericht der «Bild»-Zeitung. Danach wurden im Verteidigungsressort zum Ende von Jungs Amtszeit Informationen über zivile Opfer bei der von einem deutschen Oberst befohlenen Bombardierung zweier Tanklastwagen am 4. September bei Kundus unterschlagen. Bei dem Angriff wurden nach NATO-Angaben von Ende Oktober bis zu 142 Menschen getötet oder verletzt, darunter 30 bis 40 Zivilisten. Falls die Regierung nicht aufklärt, will die Opposition einen Untersuchungsausschuss einsetzen. Dieser würde auch von der Union mitgetragen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ging auf Distanz zu Jung und forderte absolute Transparenz.

Entscheidend dabei ist ein Bericht der Bundeswehrpolizei Feldjäger, in dem diese Informationen dargestellt wurden. Jung hatte diesen Bericht nach eigenen Angaben Anfang Oktober an die NATO weiterleiten lassen, ohne dessen Inhalt zur Kenntnis zu nehmen. Guttenberg zeigte sich erbost darüber, dass selbst er nach Amtsantritt über den weiteren Bericht nicht informiert worden sei. Es sei ein «unzumutbares Verhalten, dass man nur einen Bericht bekommt, auch wenn es mehrere gibt», sagte er im «heute-journal». Guttenberg hatte den Angriff nach Lektüre des NATO-Berichts, der die Bundeswehr teilweise entlastet, nach Amtsantritt als «militärisch angemessen» beurteilt. «Möglicherweise werde ich meine Beurteilung revidieren müssen», betonte Gutenberg.

Die Opposition warf Jung vor, an mehreren Stellen die Unwahrheit gesagt zu haben. «Sie haben uns alle hinter die Fichte geführt, und das gehört sich nicht in einer Demokratie», sagte Grünen- Fraktionschef Jürgen Trittin. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sagte der dpa: «Die jüngsten Enthüllungen werfen ein neues Licht auf die Ereignisse in Kundus.» Offenbar seien Öffentlichkeit und Parlament Informationen «systematisch vorenthalten worden».

Links-Fraktionschef Gregor Gysi forderte Jung zum Rücktritt auf. «Sie werden letztlich keine andere Wahl haben. Ziehen Sie die Konsequenzen, das ist in Ihrem und in unserem Interesse. Mit Blick auf Jungs Äußerungen zu dem Feldjägerbericht sagte Gysi: «Nach welchen Kriterien geben Sie das frei, wenn Sie das nicht gelesen haben.» Die Linke in Hessen, Jungs Heimatland, zeigte den Minister wegen Strafvereitelung im Amt an.

Guttenberg teilte zu Beginn der Bundestagssitzung mit, er habe am Mittwoch zum ersten Mal die Berichte und Meldungen gesehen, die «in der letzten Legislaturperiode» - also vor der Bundestagswahl - zurückgehalten worden seien. Diese Informationen wurden auch nicht an die Staatsanwaltschaft weitergereicht. Generalinspekteur Schneiderhan und Staatssekretär Wichert hätten die Verantwortung dafür übernommen und ihre Rücktritt eingereicht. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) reagierte nach Angaben aus seinem Umfeld mit «völligem Unverständnis» auf die Entwicklung.

Dem «Bild»-Bericht zufolge dokumentiert der Bericht der Feldjäger detailliert, zu welchem Zeitpunkt Informationen über zivile Opfer vom deutschen Regionalkommando in Masar-i-Scharif an das Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Potsdam übermittelt wurden. Außerdem belegten der interne Bundeswehr-Bericht und ein Video vom Angriff, das aus einem der beteiligten US-Kampfflugzeuge aufgenommen wurde, auch schwere Versäumnisse bei der Aufklärung unmittelbar vor dem Bombenabwurf. Der NATO-Bericht zu dem Ausmaß des Angriffs war am Tag des Amtswechsels von Jung zu Guttenberg eingetroffen.

International / Verteidigung / Bundeswehr / Bundestag
26.11.2009 · 22:44 Uhr
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