Gemischte Reaktionen auf Netanjahu-Rede

Tel Aviv/Ramallah/Berlin (dpa) - Vorsichtige Zustimmung im Westen und Ablehnung von Seiten der Palästinenser: Die Grundsatzrede des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu über einen «entmilitarisierten Palästinenserstaat» ist im Westen als erster Schritt begrüßt worden.

Bei Palästinensern und Arabern stieß sie dagegen auf Ablehnung. Die moderate Palästinenserführung warf Netanjahu vor, er wolle die Bedingungen für einen Frieden diktieren und ignoriere Forderungen nach einem Baustopp in jüdischen Siedlungen. Dagegen sprach US-Präsident Barack Obama von einem «wichtigen Schritt vorwärts».

Die Bundesregierung bezeichnete ebenso wie die Außenminister der Europäischen Union die Rede als einen «Schritt in die richtige Richtung». Positiv sei die grundsätzliche Bereitschaft der israelischen Regierung zu einer Zwei-Staaten-Lösung zu bewerten, sagte Vize-Regierungssprecher Thomas Steg in Berlin. Damit eröffne sich auch die Möglichkeit für weitere Verhandlungen.

Netanjahu hatte am Sonntagabend in einer außenpolitischen Grundsatzrede einen Kurswechsel in seiner bisherigen Politik vollzogen und erstmals unter mehreren Vorbedingungen einem «entmilitarisierten Palästinenserstaat» zugestimmt. Zugleich lehnte der Vorsitzende des rechtsorientierten Likud einen von der US- Regierung geforderten Baustopp in jüdischen Siedlungen ab. Stattdessen erklärte sich Netanjahu unter dem Druck seiner rechten, ultra-rechten und siedlerfreundlichen Parteikollegen und Koalitionspartner lediglich bereit, keine neuen Siedlungen zu bauen.

«Die Tatsache, dass jetzt jeder überzeugt ist, dass die einzige mögliche Lösung des Nahostkonfliktes eine Zwei-Staaten-Lösung ist, ist gut», sagte EU-Chefdiplomat Javier Solana. Schwedens Außenminister Carl Bildt gab zu bedenken, dass ein Staat «nicht beliebig definiert» werden könne. «Und ob das, was er (Netanjahu) erwähnt hat, wirklich als Staat definiert werden kann, ist strittig», sagte Bildt. EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner äußerte sich zurückhaltend zu der von Israel gewünschten Intensivierung der Beziehungen.

Die schärfsten Reaktionen kamen von den jüdischen Siedlern, der radikal-islamischen Hamas sowie den staatlichen syrischen Tageszeitungen. Der Siedlerrat teilte mit, dass niemand besser als Netanjahu wisse, dass selbst ein entmilitarisierter Palästinenserstaat letztendlich bewaffnet und zu einer Existenzgefahr für Israel werde. Hamas-Sprecher Fausi Barhum sprach von einer «rassistischen Rede», die die extremistische Politik Netanjahus und dessen Regierung widerspiegele. Die staatlichen syrischen Medien stuften die Rede als provokant, rassistisch und extremistisch ein.

Die moderate Palästinenserführung um Präsident Mahmud Abbas reagierte enttäuscht und empört auf die Rede Netanjahus. Abbas' Sprecher Nabil Abu Rudeinah sagte, Netanjahu sabotiere mit seinen Äußerungen alle Initiativen und lähme alle Bemühungen um eine Lösung des Konflikts. Der palästinensische Chefunterhändler Saeb Erekat sagte: «Netanjahu hat heute Abend einseitig alle Verhandlungen beendet». Netanjahu behindere die Friedensbemühungen und versuche, den Palästinensern Dinge zu diktieren, statt zu verhandeln und Frieden zu schließen. «Der Friedensprozess bewegte sich so langsam wie eine Schildkröte und Netanjahu hat sie (die Schildkröte) heute Nacht auf den Rücken gedreht», sagte Erekat.

Auslöser für die scharfe Reaktion der Palästinenserführung waren die drei zentralen Vorbedingungen, die Netanjahu für seine Zustimmung zu einem Palästinenserstaat stellte. «Wenn wir diese Garantie über eine Entmilitarisierung und Israels Sicherheitsbedürfnisse bekommen und wenn die Palästinenser Israel als den Staat des jüdischen Volkes anerkennen, dann werden wir in einer künftigen Friedensvereinbarung bereit sein, eine Lösung zu erzielen, in der ein entmilitarisierter palästinensischer Staat neben einem jüdischen Staat existiert», sagte Netanjahu.

Ägyptens Staatschef Husni Mubarak sagte, die Rufe nach einer Anerkennung Israels als jüdischer Staat ignorierten die Komplexität des Problems und zerstörten die Chancen auf einen Frieden.

Die Oppositionsführerin im israelischen Parlament, Zipi Livni von der Kadima-Partei, sagte, Netanjahu habe einen Schritt in die richtige Richtung getan; zwar zögerlich und unter Druck und mit vielen Wenn und Aber. Netanjahu müsse jetzt die Worte in Taten umsetzen, sagte die Ex-Außenministerin.

Staatspräsident Schimon Peres sprach von einer «ehrlichen und mutigen Rede». Seine Äußerungen seien wichtig zur Stabilisierung der Lage in der Region und bildeten den Auftakt zur Aufnahme direkter Verhandlungen über eine regionale Friedensregelung sowie ein bilaterales Abkommen zwischen Israel und den Palästinensern.

Konflikte / Nahost
15.06.2009 · 15:45 Uhr
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