Gel gegen Aids erfolgreich

Wien/Washington (dpa) - Nach 20 Jahren Forschung hat sich zum ersten Mal ein Gel als wirksam gegen eine Ansteckung mit dem Aidsvirus gezeigt.

Das «chemische Kondom», dem ein Aidsmittel beigemischt ist, wird vor dem Sex in die Scheide eingeführt. In einer südafrikanischen Pilotstudie mit rund 900 Frauen sank dadurch das Ansteckungsrisiko um knapp 40 Prozent. Die Untersuchung, die im US-Fachjournal «Science» erscheint, wurde auf der Weltaidskonferenz in Wien vorgestellt. Das UN-Aidsprogramm UNAIDS und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) begrüßten die Ergebnisse.

«Das ist sehr erfreulich», sagte der Direktor der WHO-Aids-Abteilung, Gottfried Hirnschall, in Wien. «Es ist das erste Mal, dass wir etwas haben, das Frauen von sich steuern können.» Besonders im südlichen Afrika, der am schlimmsten betroffenen Aidsregion der Welt, können Frauen bei ihren Sexpartnern oft nicht den Gebrauch von Kondomen durchsetzen. «Frauen können das heimlich benutzen», lobte eine Studienteilnehmerin in einem in Wien gezeigten Film das Gel.

Sollten sich die Studienergebnisse bestätigen, könne das Gel allein in Südafrika in den nächsten zehn Jahren mehr als eine halbe Million neue HIV-Infektionen verhindern, schreiben die Studienautoren. UNAIDS und WHO sprachen von einem Meilenstein. Die Studie belege, dass das Mikrobizid-Konzept grundsätzlich funktioniere. «Das ist nicht die neue Präventionswaffe», schränkte Hirnschall allerdings ein. «Es gibt nichts, was hundertprozentig wirkt. Es braucht eine kombinierte Prävention, bei der wir verschiedene Waffen gebündelt einsetzen.»

Die Forscher um Quarraisha Abdool Karim vom südafrikanischen Aids- Forschungszentrum CAPRISA hatten im Aidsbrennpunkt KwaZulu-Natal ein Vaginalgel getestet, das zu einem Prozent das Aidsmittel Tenofovir enthält. Dieser Wirkstoff wird auch in Tablettenform gegen HIV- Infektionen eingesetzt.

Die Studienteilnehmerinnen wurden in zwei etwa gleich große Gruppen eingeteilt. Die eine bekam das Gel mit dem Aidsmittel, die andere ein wirkstoffloses Gel (Placebo). Alle Frauen wurden intensiv zum Schutz vor Aids und anderen Geschlechtskrankheiten beraten, bekamen Kondome und wurden zu deren Benutzung angehalten. Sie wurden regelmäßig untersucht und, wenn nötig, behandelt. Die von den Regierungen der USA und Südafrikas finanzierte Studie sei nach den international höchsten ethischen Maßstäben gestaltet worden, betonen die Autoren.

Nach 30 Monaten hatten sich in der Wirkstoffgruppe 38 Frauen mit HIV infiziert, in der Placebogruppe 60. Umgerechnet auf die Teilnahmedauer der Probandinnen ergaben sich 5,6 HIV-Infektionen pro 100 Teilnahmejahre in der Wirkstoffgruppe und 9,1 in der Placebogruppe. Durch das Gel sank die Infektionshäufigkeit damit rechnerisch um 39 Prozent. Das Gel schützte in der Studie auch vor einer Herpesinfektion, die wiederum eine Ansteckung mit HIV erleichtert.

In der Untergruppe derjenigen Frauen, die das Gel sehr regelmäßig angewendet haben - in mindestens 80 Prozent aller Fälle - lag die HIV-Infektionshäufigkeit in der Wirkstoffgruppe sogar um 54 Prozent niedriger. Bei Frauen, die es im Schnitt nur bei jedem zweiten Geschlechtsverkehr benutzten, dagegen nur um 28 Prozent. Allerdings stehen die Ergebnisse statistisch nicht auf sehr festen Füßen und müssen zunächst durch weitere, größere Studien bestätigt werden, wie auch die Studienautoren betonen.

So gab es auch zuvor schon aussichtsreiche Kandidaten. Das Vaginalgel «Pro 2000» schien zunächst das Infektionsrisiko deutlich zu senken. In einer großen Studie mit mehr als 9000 Frauen in vier afrikanischen Ländern zeigte sich letztlich jedoch keinerlei Schutzwirkung.

Die Mediziner sind vorsichtig optimistisch. «Zum ersten Mal sehen wir Ergebnisse für eine HIV-Vorsorgeoption, die von Frauen angestoßen und kontrolliert werden kann», sagte UNAIDS-Exekutivdirektor Michel Sidibé. Von einen funktionierenden «chemischen Kondom» erhoffen sich Mediziner eine Wende in der Aidsepidemie. Eine im Herbst begonnene Studie will nun die Wirksamkeit eines Tenofovir-Gels bei 5000 Frauen in vier südafrikanischen Ländern untersuchen.

Zugleich forderten Hilfsorganisationen mehr Frauenkondome im Kampf gegen Aids. Die Frauenvariante herkömmlicher Kondome sei in vielen Teilen der Welt noch immer zu wenig verbreitet. Dabei erlaube sie den Frauen, die Kontrolle über den Schutz vor Ansteckungen zu übernehmen, und Programme in Kamerun und Nigeria hätten gezeigt, dass Frauenkondome bei Männern und Frauen akzeptiert seien. Die WHO mahnte an, männliche Beschneidung in Afrika südlich der Sahara weiter voranzutreiben. Studien hatten gezeigt, dass dieser Eingriff das Risiko einer HIV-Infizierung bei heterosexuellen Männern um 60 Prozent verringern kann. Er sei aber keine Alternative zum Kondom, betonte die WHO.

Zentrum für das Aids-Forschungsprogramm in Südafrika

Wissenschaft / Gesundheit / Aids
20.07.2010 · 16:23 Uhr
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