Fragen & Antworten: Arm und Reich in Deutschland
Berlin (dpa) - Fast 500 Seiten ist der neue Bericht über die «Lebenslagen in Deutschland» stark. Vorgelegt hat ihn das Bundesarbeitsministerium. Es ist die vierte Studie, und sie birgt reichlich sozialpolitischen Sprengstoff. Fragen und Antworten zum brisanten Thema von Arm und Reich:
Ist Deutschland ein Land der Armen?
Nein. Der Reichtum ist nur sehr unterschiedlich verteilt. Dem Bericht zufolge vereinen die vermögensstärksten zehn Prozent der Haushalte 53 Prozent (Stand: 2008) des gesamten Nettovermögens auf sich. Diese Quote lag 1998 noch bei 45 Prozent. Die untere Hälfte der Haushalte besaß zuletzt lediglich gut ein Prozent des Nettovermögens. Zehn Jahre zuvor waren es noch vier Prozent. Von 2007 bis 2012 hat sich das Gesamtvermögen der Haushalte trotz der Finanzkrise um weitere 1,4 Billionen Euro erhöht.
Wer gilt als arm?
Die «Armutsgefährdungsschwelle» liegt nach letzten verfügbaren Zahlen des Statistischen Bundesamtes für 2009 bei 940 Euro im Monat. Wer darunter liegt, ist armutsgefährdet. Je nach Datengrundlage gilt dies für 14 bis 16 Prozent der Bevölkerung. Hauptgrund für Armut ist Arbeitslosigkeit.
Was bedeutet Armut in Deutschland?
Arme in Deutschland müssen nicht hungern oder unter Brücken schlafen. Armut hierzulande ist relativ - immer gemessen am Vermögen oder Einkommen der anderen. Einkommensarm ist, wer weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens bezieht. An der Relation zwischen «arm» und «reich» würde sich deshalb auch dann nichts ändern, wenn alle über das doppelte Einkommen verfügten. Die Armen wären dann - gemessen an den Besserverdienern - immer noch arm, nur die Armutsgrenze läge absolut höher. Armut verschwindet nach dieser Definition nie.
Ist der Staat ärmer geworden?
Ja. Sein Nettovermögen schrumpfte zwischen Anfang 1992 und Anfang 2012 um über 800 Milliarden Euro, während es sich bei den privaten Haushalten um gut fünf Billionen Euro mehr als verdoppelte. Zu dieser Entwicklung trug maßgeblich die Privatisierungspolitik aller Regierungen in diesem Zeitraum bei. Die Erlöse aus dem forcierten Verkauf öffentlichen Tafelsilbers versickerten in den Haushalten.
Was hat sich zuletzt positiv entwickelt?
Der Bericht hebt die vor dem Hintergrund der Finanz- und Wirtschaftskrise besonders beachtlich positive Entwicklung am Arbeitsmarkt hervor. «Die Arbeitslosigkeit insgesamt ist auf den niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung gesunken, die Arbeitslosenquote Jugendlicher hat sich halbiert.» Auch bei der Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit verzeichnet die Studie «spürbare Erfolge»: Die Zahl dieser Arbeitslosen ging zwischen 2007 und 2011 von 1,73 Millionen auf 1,06 Millionen oder um fast 40 Prozent zurück. Deutschland hat aktuell die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in der EU.