El-Sherbini-Prozess: Geständnis, aber keine Reue

Dresden (dpa) - Nach wochenlangem Schweigen hat der Angeklagte im Prozess um den Mord an der Ägypterin Marwa El-Sherbini das Verbrechen gestanden. Sein Anwalt Veikko Bartel verlas am Mittwoch eine entsprechende Erklärung im Dresdner Landgericht.

«Heute kann ich es selbst nicht mehr verstehen, warum ich das Verbrechen begangen habe», zitierte Bartel aus dem sechsseitigen Dokument, das der 28-Jährige unterschrieben hatte. Darin gibt der Russlanddeutsche die Angriffe auf Marwa El-Sherbini und ihren Mann zu. Sein Motiv sei jedoch nicht Fremdenhass gewesen, sondern Enttäuschung gegenüber der deutschen Justiz. Reue zeigte Alex W. nicht.

Alex W. fühlte sich «vom Staat schikaniert»

«Es stimmt, dass ich eine ausländerfeindliche Gesinnung habe, aber das ist nicht das Motiv», zitierte Bartel. Sein Mandant habe sich «in einem Zustand der Angst und Panik befunden», durch das Beleidigungsverfahren gegen sich unter Stress gestanden und Furcht vor einer Gefängnisstrafe gehabt. Er habe sich «machtlos», «vom Staat schikaniert» und ungerecht behandelt gefühlt. Der erste Strafbefehl habe ihn schockiert, er sei depressiv gewesen und habe sich in den Wochen vor der Berufungsverhandlung mit viel Alkohol betäubt. Ein «komischer Zustand» habe danach seine Entscheidungen beeinflusst.

Nach Angaben von Alex W. war die Tat nicht geplant, das Messer habe er schon mehrere Wochen im Rucksack gehabt. «Ich habe nicht geplant, es für einen Angriff auf die Zeugin oder ihren Mann zu benutzen.» An die Tat selbst habe er keine vollständige Erinnerung, hieß es. Er sei an diesem Tag sehr aufgeregt gewesen. Nachdem seine Frage an Marwa El-Sherbini, warum sie in Deutschland sei, abgelehnt worden war, habe er sich selbst «das Kommando gegeben aufzustehen und auf sie loszugehen». Dann habe er die Personen nur noch als Schatten und Gestalten wahrgenommen.

Alex W. muss sich wegen Mordes, versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung verantworten. Laut Anklage hat er in einer Berufungsverhandlung wegen Beleidigung am 1. Juli die schwangere Zeugin Marwa El-Sherbini aus Fremdenhass mit einem Messer getötet und ihren Mann lebensgefährlich verletzt. Ihm droht eine lebenslange Haftstrafe.

Alex W. bedauerte Tat: Mein Leben versaut

An Einzelheiten des Angriffs könne er sich nicht mehr erinnern, ließ der Angeklagte erklären, nur, «dass ich auf die Zeugin losging, dass ein Stuhl auf mich geworfen wurde und ich wieder auf die Zeugin losgegangen bin, die am Boden lag, und ihr Mann sich am Messer festhielt.» Nach seiner Festnahme habe er «bedauert, dass es geschehen sei, dass ich mein Leben versaut habe und nicht selbst bei der Aktion erschossen wurde».

Vor Gericht indes fand Alex W. weder Worte der Entschuldigung noch der Reue. Entgegen der ersten Ankündigung wollte er seine Erklärung auch nicht selbst vorlesen. «Ich kann das nicht», sagte er zu seinem Pflichtverteidiger und dem Anwalt Bartel, die ihn mit «Du musst das machen» vergeblich zu überzeugen suchten.

Der Vorsitzenden Richterin Birgit Wiegand bestätigte der Angeklagte erst auf Nachdruck mit einem deutlichen «Ja», dass die Erklärung gemeinsam mit ihm erstellt worden sei. «Korrekt» antwortete er auf die Frage, ob der Anwalt sie vorlesen dürfe. Es waren die ersten Worte des arbeitslosen Spätaussiedlers seit Beginn des Prozesses am 26. Oktober. Während Bartel die Erklärung verlas, saß Alex W., wie die meiste Zeit an den bisher sieben Verhandlungstagen, mit gesenktem, von der Kapuze seines Pullovers bedecktem Kopf regungslos auf der Anklagebank. Schließlich lehnte er auch die Beantwortung von Fragen mit einem lauten «Nein» ab.

«Ja» und «Korrekt» erste Worte vor Gericht

Es waren die ersten Worte des arbeitslosen Spätaussiedlers seit Beginn des Prozesses am 26. Oktober. Während der Anwalt die Erklärung verlas, saß Alex W., wie meistens an den bisher sieben Verhandlungstagen, mit gesenktem, von der Kapuze seines Pullovers bedecktem Kopf regungslos auf der Anklagebank. Die Beantwortung von Fragen lehnte er mit einem lauten «Nein» ab.

Zuvor hatten ein Bekannter des Angeklagten und sein Deutschlehrer bei einem Weiterbildungskurs von ausländerfeindlichen Äußerungen des Russlanddeutschen, aggressivem Verhalten in Diskussionen um Deutschland und Ausländer sowie seinem Stolz berichtet, Deutscher zu sein. Das Hauptziel von Alex W. sei es gewesen, Deutsch zu lernen, gut integriert zu sein und eine Freundin zu finden, erzählte der Bekannte vor Gericht. Er habe sich abfällig über Ausländer, vor allem Muslime geäußert. Einmal habe er davon gesprochen, dass er sie umbringen würde, wenn er eine automatische Waffe hätte.

Der Anwalt des Witwers, Heiko Lesch, hält das Geständnis für einen Beschwichtigungsversuch. Der Verweis auf eine Tat im Affekt widerspreche den Ergebnissen der bisherigen Beweisaufnahme. Lesch sieht die niederen Beweggründe durch die Aussagen von Zeugen bestätigt. So habe sich der Ausländerhass des Angeklagten schon früher ebenso geäußert wie seine Haltung, dass Muslime kein Lebensrecht hätten und keine Mitbürger seien. «Das sehen wir als Motiv an», sagte Lesch.

Mit der Befragung der beiden Männer wurde die Beweisaufnahme hinsichtlich der Zeugen abgeschlossen. An diesem Donnerstag soll das Gutachten zur Schuldfähigkeit vorgetragen werden. Für kommenden Montag und Dienstag sind die Plädoyers geplant. Das Urteil soll am 11. November gesprochen werden.

Prozesse / Kriminalität
04.11.2009 · 17:03 Uhr
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