Die G20-Streitpunkte und -Versprechen

Berlin (dpa) - Die Krise war schlimm und die Botschaft der führenden Wirtschaftsmächte (G20) an die Finanzwirtschaft entsprechend deutlich: Jeder Markt, jedes Geschäft, jeder Verantwortliche bei Fonds, Banken und Wagniskapitalgebern wird künftig kontrolliert.

Schluss mit Grauzonen und Schlupflöchern. Nun, da das Schlimmste überstanden ist, die Konjunktur in vielen Regionen wieder Fahrt aufnimmt, erlahmt der Reformeifer. Nationale Egoismen - wie aktuell der «Währungskrieg» - kehren zurück. Lobbys tun ein Übriges, das Geschäft mit dem großen Geld aus der Schusslinie der Politik zu nehmen. Beim Gipfel in Seoul dürfte dieser Sand im Getriebe zu spüren sein.

Was ist aus dem zentralen G20-Versprechen geworden?

Bei der strengeren Finanzmarktkontrolle gibt es noch einiges zu tun. Am weitesten sind die USA, die Gesetze mit Biss auf den Weg gebracht haben - ungeachtet massiver Lobbyarbeit der Wall Street gegen das Paket. Und auch in der Europäischen Union tut sich etwas: Verschärfte Vorschriften sollen für mehr Transparenz bei Hedge Fonds und dem Handel mit komplizierten Finanzprodukten (Derivaten) sorgen. Einige G20-Staaten wie Kanada und Brasilien stehen auf der Bremse, da ihre Banken die Finanzkrise nicht losgetreten haben. Auch Großbritannien ist zögerlich: Der wichtige Bankenplatz London soll möglichst keine Geschäfte an Konkurrenten in Ländern verlieren, wo die Regeln nicht so streng sind. Also noch immer steht ein global wirksamer Schutz vor Zockern aus.

Warum kommen die wirtschaftlichen Ungleichgewichte auf den Tisch?

Beim Gipfel im September 2009 in Pittsburgh/USA hatten die G20 versprochen, alles im Sinne eines «robusten, nachhaltigen und ausgewogenen globalen Wachstumsprozesses» zu tun. Aber viele G20- Länder leben über ihre Verhältnisse, wie die USA oder Mitglieder der Eurozone wie Griechenland, Italien, Spanien und Portugal. Die USA haben lange mit Blick auf stetiges Wirtschaftswachstum auf den Konsum gesetzt, der allerdings stark durch Kredite finanziert ist. Die Chinesen haben diese Nachfrage bedient - auch weil sie ihre Waren wegen des künstlich niedrig gehaltenen Wechselkurses billig anbieten können. Heute hat China einen großen Handelsüberschuss, die USA haben gewaltige Schulden. 

Ist auch Deutschland beim Abbau der Ungleichgewichte gefordert?

Deutschland weist wie China hohe Überschüsse in der Handels- und Leistungsbilanz aus. Zuletzt scheiterten die USA mit einem Vorstoß für Selbstverpflichtungen, damit die Staaten die Kapital- und Warenströme wieder ins Gleichgewicht bringen. Aber mehr Konsum und Investitionen in China und Deutschland lösen nicht unbedingt die Probleme der USA: Viele US-Produkte sind in puncto Preis und Qualität international nicht konkurrenzfähig.

Die Regierung von Präsident Barack Obama erwartet dennoch von Deutschland, die heimische Nachfrage anzukurbeln - etwa mit Steuersenkungen. Die Bundesregierung will aber den Rekordschuldenberg abbauen und sieht dafür wenig Spielraum. Für die Regierung und die Bundesbank steht Deutschland deshalb zu Unrecht am Pranger: Das starke Wachstum sei Ergebnis von Reformen, die die Industrie wettbewerbsfähiger gemacht hätten.

Kann in Seoul der Währungsstreit entschärft werden?

Es gibt zumindest die Absicht. Die Finanzminister und Notenbankchefs erklärten im Oktober, einen Abwertungswettlauf der Währungen verhindern zu wollen. Zuletzt signalisierte China, seine Währung zumindest in Mini-Schritten aufzuwerten. Vor allem die USA wettern gegen den künstlich niedrig gehaltenen Wechselkurse von Yuan zum US-Dollar. Im Abwertungswettlauf mischen aber auch andere Länder mit. G20-Gastgeber Südkorea hofft, dass eine für alle erträgliche Absichtserklärung verabschiedet werden kann.

Was können die G20 schon auf der Haben-Seite verbuchen?

Die führenden Bankenaufseher haben sich auf strengere Vorgaben beim Eigenkapital verständigt - die «Basel III»-Regeln. Sie sollen von den G20 abgesegnet und dann schrittweise eingeführt werden. Mit «Basel III» werden Banken gezwungen, sich besser gegen künftige Krisen zu rüsten, ihre Risikogeschäfte besser abzusichern und so möglichst ohne Staatshilfen durch schwere Wirtschaftskrisen zu kommen.

Gibt es für Großbanken noch strengere Vorgaben?

Geplant sind sie. Es soll verhindert werden, dass Schwergewichte zu hohe Risiken eingehen, weil sie allein aufgrund ihrer Größe und Vernetzung gerettet werden müssen - notfalls auch vom Staat. Das Problem eines «too big to fail» (sinngemäß: «zu groß, um sie scheitern zu lassen») soll angegangen werden. Der Umfang strengerer Vorschriften für die weltweit größten Banken und Finanzdienstleister - «systemrelevante Finanzinstitute» (SIFIs) - ist aber noch offen und dürfte wohl erst unter französischer G20-Präsidentschaft 2011 angegangen werden.

Kommen auch drohende Engpässe bei Rohstoffen zur Sprache?

Sehr wahrscheinlich. Aktuell geht es um sogenannte seltene Erden, 17 chemische Elemente, die unabdingbar für die Produktion von Hightech-Produkte wie Handys oder Elektroautos sind. Der Weltmarkt dafür wird von China beherrscht. Dort sind die mit Abstand größten Vorkommen zu finden. Das Land drosselt derzeit den Export. Deshalb kommt es in Industrieländern schon zu Engpässen.

Geht es auch um Konjunkturprogramme?

Ja. Deutschland und andere Länder machen sich dafür stark, dass die milliardenschweren Konjunkturprogramme auslaufen («Exit-Strategie»). Haushaltssanierung steht für die Europäer jetzt an. Sie verlangen vom G20-Gipfel erneut ein entsprechend klares Signal, dass damit überall begonnen wird. Aber die USA mit ihrer relativ hohen Arbeitslosigkeit und einer schwachen Konjunktur setzen weiter auf Milliardenhilfen durch Notenbank und Staat. Sie drehen den Geldhahn immer weiter auf.

G20 / Gipfel
11.11.2010 · 22:32 Uhr
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