CDU-Spitze fürchtet nach Beust-Rücktritt Erosion
Berlin (dpa) - Nach dem Rückzug des Hamburger Bürgermeisters Ole von Beust gibt es in der CDU Sorgen um Auflösungserscheinungen an der Parteispitze. Die CDU-Vorsitzende und Kanzlerin Angela Merkel sagte am Montag in Berlin, sie bedauere Beusts Entscheidung:
«Ole von Beust hat über viele Jahre in der CDU gezeigt, dass die CDU auch in großen Städten mehrheitsfähig ist.» Mit Schwarz-Grün in Hamburg habe er für die CDU Neuland betreten. Mehrere CDU-Spitzenpolitiker versuchten am Montag den Eindruck zu zerstreuen, das Aus für Beust könne auch das Ende von Schwarz-Grün in der Hansestadt sein.
Der Chef der Jungen Union, Philipp Mißfelder, sagte vor einer Sitzung des CDU-Präsidiums in Berlin, man habe den Eindruck, dass auch Leute, die man in der CDU-Führung dringend brauche, eher etwas anderes machen wollten als sich der Partei zu verpflichten. Er wünsche sich mehr Teamgeist. Zwar sei Beusts Rücktritt eine private Entscheidung. «Trotzdem: In der Summe entsteht der Eindruck eines Erosionsprozesses. Und den gilt es zu vermeiden, wenn wir erfolgreich in den nächsten Monaten sein wollen.»
Mit Beusts Rücktritt zum 25. August verliert Merkel bereits den sechsten erfahrenen CDU-Landesregierungschef innerhalb eines Jahres.
Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach sagte «Handelsblatt Online», Beusts Entscheidung werfe die CDU zwar nicht um. «Aber wenn innerhalb eines Jahres sechs Regierungschefs, wenn auch aus ganz unterschiedlichen Gründen, ihr Amt quittieren, dann entsteht der Eindruck eines Erosionsprozesses.»
Der demnächst ebenfalls aus dem Amt scheidende hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) wies den Eindruck einer Erosion dagegen zurück. «Das ist ein Veränderungsprozess in einer Partei, die lange regiert hat.»
Beust betonte, er gehe seinen Schritt ohne Groll. Die CDU sei lange nicht nur seine politische Heimat, sondern «auch die Korsettstange meines Lebens gewesen». Zugleich betonte er: «Jeder ist im Land ersetzbar. In Berlin ist auch jeder ersetzbar.» Eine Gefahr für Schwarz-Grün in Hamburg sehe er nicht.
Beust hatte seine Entscheidung am Sonntag kurz vor dem Schließen der Wahllokale für den Volksentscheid über die schwarz-grüne Schulreform in Hamburg bekanntgegeben. Dieser endete mit einer Niederlage für CDU und Grüne. Die Gegner gemeinsamen sechsjährigen Lernens in Primarschulen setzten sich durch. Damit bleibt es bei vierjährigen Grundschulen. Nachfolger Beusts soll Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) werden.
Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) warnte vor Panikmache wegen des Rückzugs Beusts. «Ich würde das nicht so dramatisch sehen», sagte er im «ARD-Morgenmagazin». In Parteien gebe es immer wieder personelle Veränderungen und Erneuerungen. Die Rücktritte hätten nichts mit dem Führungsstil von Merkel zu tun. Sie führe Partei und Regierung «außerordentlich erfolgreich».
CSU-Chef Horst Seehofer fürchtet nicht um die Schlagkraft der Union. In jeder Partei gebe es Phasen der personellen Erneuerung, sagte er der «Bild»-Zeitung. «Die CSU hat das gerade hinter sich. Die CDU ist mittendrin. Schwächer wird man dabei nur, wenn man dann nicht genügend gute Talente neu in Position bringt.» Die CDU habe viele gute junge Politiker. «Also keine Sorge: Die Union behält ihre Schlagkraft.»
Nach Angaben von Teilnehmern wiederholte Mißfelder in der Sitzung des Parteipräsidiums seine Warnung vor einer Erosion nicht. Der Rückzug Beusts habe keine große Rolle gespielt. Im Mittelpunkt habe die Schulpolitik gestanden, hieß es. Der Ausgang des Hamburger Volksentscheids gegen die sechsjährige Grundschule sei als eine Art «bürgerliches Stoppschild» und Bestätigung dafür gewertet worden, dass sich die CDU verstärkt mit der Schulpolitik befassen wolle.