Cannabis auf dem Vormarsch?

„Gebt das Hanf frei“, dieser Ausspruch von Hans-Christian Ströbele, Mitglied des Bundestages der Partei Die Grünen, von 2002 gelangte noch im selben Jahr durch eine musikalische Bearbeitung von Stefan Raab zu bundesweiter Berühmtheit und erreichte Kultstatus. Zwölf Jahre später ist der Hanf zwar immer noch nicht frei, der Ruf erschallt jedoch aktuell immer lauter und aus immer mehr Mündern.
Die offizielle Freigabe von Cannabis in mehreren US-Staaten hat auch die Diskussion in Europa erneut entfacht. Die Schweiz debattiert eine partielle Freigabe in Form von Cannabis-Clubs, wie es auch schon in Teilen Spaniens praktiziert wird. In Deutschland könnten bald Coffeeshops nach niederländischem Vorbild entstehen. Die US-Staaten Colorado und Washington, wo Marihuana seit Anfang des Jahres legal angebaut und erworben werden kann, begründeten ihren Schritt mit dem gescheiterten „War on drugs“, den die USA seit 1972 mit konsequenten Maßnahmen führen. Nach zwei Monaten „freiem Hanf“ in Colorado zeigt sich neben der sinkenden Kriminalitätsrate noch eine weitere und weitaus lukrativere Nebenwirkung. Die Marihuana-Branche boomt wie kaum eine andere. Es werden Jahres-Umsätze in mehrstelliger Millionenhöhe erwartet, wenn sie nicht gar die Milliardengrenze überschreiten. Kürzlich wurde es nun auch den Banken erlaubt, Geschäfte mit Marihuana-Händlern und Betreibern von Hanfplantagen zu machen. Zuvor waren jene in dem Land, in dem schon Kleinstbeträge per Kreditkarte gezahlt werden, zu reinen Bar-Geschäften gezwungen, was einige Schwierigkeiten mit sich brachte und vor allem die Angst vor Überfällen schürte. Cannabis-Kriminalität einmal anders.
Schaut man auf die Berichterstattung über Cannabis in Deutschland sind es neben den internationalen und nationalen Entwicklungen rund um die Hanfpflanze vor allem Berichte über die eine oder andere privat oder kommerziell betriebene Cannabisplantage, die erneut ausgehoben wurde. Der Anbau in den eigenen vier Wänden wird dabei zunehmend vereinfacht - zumindest, was den Zugang zu qualifiziertem Knowhow angeht. Ganz legal kann sich der interessierte Cannabis-Anbauer im Internet Anregungen und Informationen beschaffen. Portale wie Sensiseeds bieten nicht nur kompetenten Rat und eine Übersicht der verschiedenen Samenarten, sondern liefern auch gleich das Saatgut, das durch Feminisierung höhere Erträge verspricht. Daneben wird man umfassend über die neuesten Entwicklungen zum Thema Cannabis-Legalisierung informiert oder kann sich über das Forum mit anderen Nutzern austauschen.
Konkrete Versuche, das Cannabis-Verbot in Deutschland zu lockern, kamen bisher aus Berlin und Frankfurt/Main. Dort wurde durch einen Antrag der Bezirksversammlung für die Einrichtung von Coffeeshops nach niederländischem Vorbild geworben. Damit sollen besonders problematische Drogenumschlagplätze wie der Görlitzer Park in Berlin-Kreuzberg oder das Frankfurter Bahnhofsviertel wieder eine freundlichere Atmosphäre erhalten. Gegner dieser Idee befürchten eine Zunahme des Drogentourismus‘, die Befürworter entgegnen, dass dieser bereits herrscht. In Berlin wird der Görlitzer Park sogar schon in alternativen Stadtführern als Verkaufsstelle verschiedenster Drogen aufgeführt und es sind längst nicht mehr nur die Junkies, die ihre Drogen dort beziehen. Aktuell ist es wieder etwas ruhiger um das Thema Legalisierung von Cannabis in Deutschland geworden. Zumal die derzeitige Drogenbeauftragte des Bundes, Marlene Mortler, der Freigabe- Diskussion mit einer eindeutigen Ablehnung einen Riegel vorgeschoben hat. Es bleibt abzuwarten, wie im Falle von Berlin und Frankfurt/Main entschieden wird. Möglich wäre die Einrichtung von Coffeeshops nur, wenn ein öffentliches Interesse besteht. Die Chancen für eine Genehmigung stehen jedoch sehr schlecht. Dennoch ist der Antrag ein Zeichen, dass auch in Deutschland über Alternativen zur bisherigen Drogenpolitik nachgedacht wird. Wenn das US-amerikanische Modell langfristige Erfolge vorweisen kann, wird vielleicht ganz nach Ströbeles Forderung der Hanf bald frei für alle sein.

