Brüssel mahnt Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung an
Berlin (dpa) - In den Streit der schwarz-gelben Koalition über die sogenannte Vorratsdatenspeicherung hat sich jetzt die EU-Kommission in Brüssel eingeschaltet. Nach einem «Spiegel»-Bericht verlangt die Behörde «schnellstmöglich» ein neues Gesetz.
Andernfalls drohe sie der Bundesregierung mit einem Verfahren wegen Verletzung des EU-Vertrags, schreibt das Magazin. Union und FDP streiten über eine Neuregelung, seit das Bundesverfassungsgericht die alte Regelung vor mehr als einem Jahr verworfen hat.
Die Speicherung von Telekommunikationsdaten sei «ein wertvolles Instrument» und «integraler Bestandteil» der Arbeit europäischer Strafverfolgungsbehörden geworden, heißt es laut «Spiegel» in einem neuen Kommissionsreport. In manchen Fällen sei sie «unverzichtbar für die Verhinderung und Bekämpfung von Verbrechen».
Während Unionspolitiker und Sicherheitsbehörden in Deutschland diese Einschätzung teilen, favorisiert Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) als Alternative zur Vorratsdatenspeicherung das Einfrieren von Daten im Falle eines konkreten Verdachts («Quick Freeze»).
Diese Variante wird laut «Spiegel» in der EU-Analyse als unzureichend bewertet. Die meisten Mitgliedstaaten würden sie nicht als adäquaten Ersatz sehen. Bei ihrer Evaluierung hätten die Brüsseler Beamten aber auch in der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung schwere Mängel entdeckt. So sollen kürzere Speicherfristen sowie eine Reduzierung der Datenarten und zugriffsberechtigten Behörden geprüft werden.
Nach Einschätzung des Verfassungsschutzes hat sich an der Bedrohungslage in Deutschland, die im vergangenen November zum Terror-Alarm geführt hatte, nichts geändert. Islamistische Terroristen hätten das Ziel eines Anschlags erkennbar nicht aufgegeben, sagte Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm der «Neuen Osnabrücker Zeitung» und fügte hinzu: «Auch wenn die sichtbaren Schutzmaßnahmen zurückgenommen wurden, ist die Bedrohungslage unverändert ernst.» Grundlage der Einschätzung sei eine Vielzahl von Informationen aus dem In- und Ausland, dass «die Pläne für einen massiven Angriff in Deutschland fortbestehen».
Unterdessen warnte der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), den Koalitionspartner FDP davor, bei der Inneren Sicherheit mit einem Konfrontationskurs punkten zu wollen. «Es wundert mich doch sehr, dass vom Koalitionspartner bewusst der falsche Eindruck erweckt wird, die Union wolle Anti-Terror-Gesetze verschärfen», sagte Bosbach der «Neuen Osnabrücker Zeitung».
Es gehe vielmehr darum, «befristete Befugnisse der Geheimdienste zu verlängern und gleichzeitig zusätzliche rechtsstaatliche Hürden für Daten-Zugriffe einzuführen». Angesichts der angespannten Sicherheitslage in Deutschland wäre es unverantwortlich, Anti-Terror-Befugnisse auslaufen zu lassen, sagte Bosbach.
Die Bundesregierung muss noch in diesem Jahr entscheiden, ob sie bislang befristete Teile der Anti-Terror-Gesetze verlängert, die nach den Anschlägen vom 11. September 2001 erlassen wurden. Sonst laufen sie automatisch Anfang 2012 aus.
Die Liberalen konterten, für die FDP gehe es um «eine vernünftige Balance zwischen Freiheit und Sicherheit». Die Gespräche über den künftigen Umgang mit den Anti-Terror-Gesetzen hätten gerade erst begonnen, verliefen jedoch konstruktiv und an der Sache orientiert, sagte der Vorsitzende des Arbeitskreises Innen und Recht der FDP-Bundestagsfraktion, Hartfrid Wolff: «Zunächst wird die Koalition prüfen, welche Gesetze tatsächlich noch gebraucht werden und welche problemlos auslaufen können, weil sie keinerlei Bedeutung für mehr Sicherheit hatten und haben.»