Birthler-Behörde: Kurras 2003 fast enttarnt
Nach einem Bericht der Stasi-Unterlagenbehörde vom Mittwoch hatte damals eine Forscherin Stasi-Akten über die West-Berliner Polizei beantragt. Nachdem sie jedoch ihre Arbeit beendet hatte, ohne die Unterlagen mit Hinweisen auf Kurras einzusehen, seien die Akten Anfang 2004 ungelesen und unbearbeitet wieder ins Archiv zurückgebracht worden. Kurras übergab unterdessen bei einer Kontrolle in seiner Wohnung eine Waffe und Munition an die Polizei.
Nach Angaben der Birthler-Behörde war ein Sachbearbeiter bei der Bearbeitung der 180 Stasi-Bände über die West-Berliner Polizei in Band 13 auf einen Informationsbericht eines «Geheimen Mitarbeiters» (GM) der Stasi mit dem Decknamen «Otto Bohl» gestoßen. Das war - wie in der vergangenen Woche bekannt wurde - der Deckname von Kurras, der am 2. Juni 1967 Ohnesorg bei einer Demonstration gegen den Schah- Besuch erschossen hatte.
Der Sachbearbeiter habe Anfang März 2003 Nachforschungen im Archiv zu weiteren Berichten «Bohls» beantragt, um sie der Forscherin vorlegen zu können. Diese Seiten - 17 Bände mit einem Umfang von bis zu 6000 Blättern - seien im Archiv durchnummeriert, aber nicht inhaltlich bewertet worden. Im Herbst 2003 wurden die Unterlagen nach Angaben der Behörde dann an den Sachbearbeiter geschickt. Die Forscherin habe jedoch in der Zwischenzeit ihre Arbeit beendet, ohne dass die Unterlagen eingesehen worden wären.
Ein Sprecher der Polizei teilte am Mittwoch mit, zwei Beamte der beim Landeskriminalamt angesiedelten Waffenbehörde hätten Kurras in seiner Wohnung in Berlin-Spandau aufgesucht. Er habe «die einzige Waffe, die er nach seinen Angaben im Haus hatte, den Polizisten freiwillig ausgehändigt». Es habe auch keine Durchsuchung der Wohnung oder des Hauses gegeben. Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hatte zuvor erklärt, er wolle prüfen, ob die Waffenbesitzkarte Kurras' eingezogen werden müsse. Körting bezog sich auf Aussagen des Ex-Beamten, wonach heutige Polizisten «viel zu selten» von der Schusswaffe Gebrauch machen würden.
Der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Michael Grunwald, sagte der dpa, nach den Anzeigen gegen Kurras habe die Behörde die staatsanwaltlichen Akten aus der damaligen Zeit angefordert. Nach den neuen Strafanzeigen gegen Kurras hatte die Staatsanwaltschaft angekündigt, die Umstände des Todes von Ohnesorg erneut zu prüfen. Ob daraus ein Wiederaufnahmeverfahren gegen den damals freigesprochenen Kurras folgt, sei unklar, weil viele Vorwürfe verjährt seien.