Australiens Verbot von sozialen Medien: Ein streitbares Thema auch in Deutschland
Das jüngst in Australien eingeführte generelle Verbot für Kinder und jüngere Teenager, soziale Medien zu nutzen, stößt auf kritische Stimmen aus der Fachwelt. Stephan Dreyer, Experte für Medienrecht am Leibniz-Institut für Medienforschung, hinterfragt die Verhältnismäßigkeit eines solchen Verbots nach deutschem Maßstab und hebt die Bedeutung der Kinderrechte, einschließlich ihrer Teilnahme an digitalen Plattformen, hervor.
In Australien wird zukünftig Jugendlichen erst ab dem 16. Lebensjahr der Zugang zu Plattformen wie X, Tiktok, Facebook und Instagram gestattet. Dies ruft auch in Deutschland Diskussionen hervor. Bundesbildungsministerin Karin Prien (CDU) spricht sich gegen solche Altersbeschränkungen aus, verweist jedoch auf die Notwendigkeit, den Schutz von Kindern im digitalen Raum zu verbessern.
Plattformen stehen in der Verantwortung, meint Dreyer, und schlägt Accounts vor, die speziell für kinderfreundliche Inhalte eingerichtet sind. Um Zugang zu anderen Inhalten zu erhalten, sollte eine Altersprüfung, beispielsweise durch Ausweiskontrollen oder biometrische Daten, erforderlich sein. Auch Isabel Brandhorst von der Uniklinik Tübingen unterstützt eine solche Prüfung, ohne jedoch ein konkretes Alter festzulegen. Eltern könnten durch derartige Prüfungen mehr Unterstützung darin erhalten, die Social-Media-Nutzung ihrer Kinder zu kontrollieren.
Brandhorst zeigt sich skeptisch, dass Plattformanbieter kinderfreundliche Änderungen umsetzen, da dies wirtschaftlichen Einbußen durch mögliche Zeit- und Werbebeschränkungen bedeuten könnte. Sie sieht die Bildungsinstitutionen in der Verantwortung, Medienkompetenz zu vermitteln, da dies bislang nicht flächendeckend umgesetzt wird. Gegen pauschale Verbote spricht sich Anne-Linda Camerini von der Universität Lugano aus.
Sie betont, dass solche Maßnahmen eher kontraproduktiv sein und zum Umgehen der Verbote verleiten könnten. Die Forschung zur Rolle sozialer Medien bei psychischen Problemen im Kindes- und Jugendalter sei noch nicht weit fortgeschritten, auch aufgrund datenschutzrechtlicher Hürden, betont Brandhorst. Es sei zudem wichtig zu beachten, dass auch Faktoren wie die Pandemie und der Klimawandel Einfluss auf die psychische Gesundheit von Jugendlichen haben.
Besonders auffällig ist die intensive Nutzung digitaler Medien durch deutsche Jugendliche. Sie verbringen laut OECD-Studien im internationalen Vergleich auffällig viel Zeit mit Plattformen wie Tiktok und digitalen Spielen. Trotz der Empfehlung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, nicht mehr als zwei Stunden täglich zu konsumieren, verbringen 15-Jährige in Deutschland wöchentlich 48 Stunden vor Bildschirmen.