Analyse: USA und Russland wickeln Spionagefall ab
Nur Tage später hoben US-Ermittler einen Agentenring aus und nahmen elf mutmaßliche russische Spione fest - einer von ihnen lebte nur ein paar Straßenblöcke von der Fast- Food-Bude entfernt.
Nach altbekannten Mustern aus der Geschichte beider Staaten hätte die Affäre das Tauwetter in den Beziehungen wieder in eine Eiszeit verwandelt. Stattdessen münzten die Regierungen den Problemfall öffentlichkeitswirksam in einen diplomatischen Schulterschluss um. Eine gelungene PR-Show?
Nur elf Tage benötigen Washington und Moskau, um den ersten Agentenaustausch seit dem Kalten Krieg über die Bühne zu bringen. Was damals Jahre gedauert hätte und ein diplomatischer Gewaltakt gewesen wäre, erscheint jetzt als reibungslos orchestrierte gemeinsame Unternehmung von «Partnern und Freunden», wie Obama das Verhältnis bei dem Treffen mit Medwedew bezeichnet hatte.
Die Top-Diplomaten in Ost und West legten bei der Lösung der Krise ein Eiltempo vor: Nur wenige Tage blieben die enttarnten russischen Agenten im Gefängnis. Vom Gericht in New York, wo sich in einer perfekt vorbereiteten Sitzung schuldig bekannten, ging es am Donnerstag direkt zum Flughafen. Fast gleichzeitig wurden vier in Russland inhaftierte Männer in den Flieger gen Westen gesetzt. Und schon unmittelbar danach bestätigten die Regierungen, dass die Operation Agententausch angelaufen sei. Eine perfekte Inszenierung.
Das eine so spektakuläre gemeinsame Aktion von den einstigen Feinden möglich ist, «unterstreicht eine neue Ära in den Beziehungen», kommentiert die «New York Times». Auch Russland ist voll des Lobes über die Zusammenarbeit. Sie zeige den «neuen Geist der russisch-amerikanischen Beziehungen und das hohe Niveau des gegenseitigen Verständnisses zwischen den Präsidenten beider Länder», verlautete nahezu überschwänglich aus dem Kreml. Das US-Außenamt pflichtete bei: «Das sagt einiges über den Fortschritt, den wir in unserem Verhältnis gemacht haben.» Die russische Regierung sei sehr entgegenkommend gewesen.
In Wahrheit hätten sich auf der Gegenseite zunächst «Spuren des alten Russlands» gezeigt, sagt dagegen ein hoher US-Regierungsbeamter der «Washington Post». Denn zunächst habe der Kreml die Identität der Spione nicht anerkennen wollen. «Ehrlich gesagt ist das die Ursache, warum wir die Operation so aggressiv vorangetrieben haben.»
Die große Eile hat einen guten Grund - die Affäre setzte vieles aufs Spiel, was Obama seit seinem Amtsantritt mit Russland angestoßen hat. Der Fall sei alles andere als hilfreich für die Bemühungen gewesen, die Beziehungen weiter zu verbessern, sagt Steven Aftergood, Geheimdienstexperte bei der Washingtoner Ideenschmiede Federation of American Scientists. «Die US-Regierung wollte das einfach vom Tisch haben.»
Denn eigentlich hatten beide Staaten große Fortschritte in zentralen Sicherheitsfragen gemacht, dazu zählt vor allem die Unterzeichnung des historischen START-Abrüstungsvertrages. Nun wollen sie die Vertiefung der Wirtschaftsbeziehungen in Angriff nehmen. So hat Obama bereits versprochen, sich für den Beitritt Russlands zur Welthandelsorganisation WTO einzusetzen. Auch soll die Zusammenarbeit der Geheimdienste sowie im Kampf gegen den Terror besser werden.
Nach Ansicht von Aftergood hätte die US-Regierung dem Austausch allerdings niemals so schnell zugestimmt, wenn die Festgenommenen tatsächlich ernsthaften Schaden angerichtet hätten. All ihre hier gesammelten Informationen hätten sie einfach auch aus dem Internet ziehen können. «Sie noch länger festzuhalten hätte der Nationalen Sicherheit nicht weiter gedient», sagt ein hoher Beamter des Justizministeriums. So sehr der Fall an den Kalten Krieg erinnern mag, so wenig habe er tatsächlich mit den Praktiken der CIA und des ehemaligen KGB von damals gemeinsam, sagt John Prados, Analyst bei der Washingtoner Denkfabrik National Security Archive.