Analyse: El Kaida droht mit Terror zur Wahl

Berlin (dpa) - Nervosität ist spürbar. Wo sonst vor dem Jüdischen Museum in Berlin die Polizisten entspannt mit Passanten plaudern, patrouillieren Beamte nun mit schwarzen Maschinenpistolen. Auch an Flughäfen und großen Bahnhöfen gehört die massive Bewaffnung in den nächsten Wochen zum neuen Bild.

Die Gefahr ist abstrakt, aber sie hat eine neue Qualität, heißt es in Sicherheitskreisen. Zwei neue Videos des mutmaßlichen El-Kaida-Terroristen Bekkay Harrach erhöhen die Nervosität. Denn erstmals ist eine Drohung von ihm auf einen festen Zeitrahmen rund um die Bundestagswahl bezogen. Aber zugleich gilt: Über konkrete Anschlagsplanungen - etwa auf das Münchner Oktoberfest - soll bisher nichts bekannt sein. Es besteht kein Grund zur Panik, betont Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU).

Verfassungsschutz-Chef Heinz Fromm warnte schon zu Jahresbeginn, «dass Anschläge gegen unser Land vorbereitet werden». Auffällige Reisebewegungen haben diese Sorge nun in den letzten Tagen verstärkt - über allem kreist die Befürchtung vor einem zweiten Madrid. Dort gab es im März 2004 bei Anschlägen auf Pendlerzüge 191 Tote. Der Terror hatte politische Folgen: Drei Tage später gewannen die Sozialisten überraschend die Wahlen. Der Nachfolger des konservativen Ministerpräsidenten José María Aznar, der Sozialist José Luis Rodríguez Zapatero, ordnete den Abzug der Truppen aus dem Irak an.

Besonders das am Freitag aufgetauchte Video ist eine eindeutige Ansage vor der Bundestagswahl. Es kommt zunächst wenig bedrohlich daher. Harrach, ehemaliger Student der Wirtschaftsmathematik steht vor einem roten Samtvorhang. Er trägt schulterlanges, gegeltes Haar, gekleidet ist er mit Anzug und hellblauer Krawatte - ein fast skurril anmutender Auftritt eines Mannes, der der mittleren Führungsebene von El Kaida zugerechnet wird und der über sich sagt: «Mich für Allah in die Luft zu sprengen ist mein Wunsch seit 1993.»

Der 32-jährige Deutsch-Marokkaner stammt aus Bonn. Zuletzt wurde er im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet vermutet. Der Türke Ömer Ö., der derzeit wegen seiner mutmaßlichen El-Kaida-Mitgliedschaft in Koblenz vor Gericht steht, soll Harrach angeworben haben. Harrach, der sich «Abu Talha, der Deutsche» nennt, gilt als Verehrer von Osama Bin Laden und soll hochintelligent sein. Über Deutschland weiß er genau Bescheid, auch wie sensibel das Thema Afghanistan ist, gerade nach dem von der Bundeswehr angeordneten Luftangriff bei Kundus mit Dutzenden Toten.

Ruhig erklärt Harrach, dass Deutschland sofort seine 4200 Soldaten zurückholen soll. «Mit Abzug des letzten deutschen Soldaten wird auch der letzte Mudschaheddin aus Deutschland abgezogen», sagt er und fügt zynisch hinzu: «Dafür steht El Kaida mit ihrem Namen.» Weiter heißt es: «Sollte allerdings das deutsche Volk seine zur Auswahl stehenden Parteien nicht mehrheitlich dazu bewegen wollen, die deutschen Soldaten aus Afghanistan abzuziehen, dann wird es nach den Wahlen ein böses Erwachen geben.» Es sei an der Zeit zu begreifen, dass Afghanistan nicht das 17. Bundesland sei.

In Deutschland gibt es bislang weitgehendes Einvernehmen, dass der Afghanistan-Einsatz alternativlos ist, nur die Linkspartei ist für einen sofortigen Abzug. Will Harrach nur Angst verbreiten, in der Hoffnung, dass so die politische Zustimmung zu dem Einsatz am Hindukusch bröckelt? An die Muslime in Deutschland gerichtet sagt er, sie sollten in den zwei Wochen nach der Wahl «von allem was nicht lebensnotwendig ist» fernbleiben, wenn die Deutschen sich nicht für einen Abzug entscheiden sollten.

Bei den Videos handelt es sich nach Angaben des auf islamistische Webseiten spezialisierten IntelCenters um die deutlichsten Drohungen El Kaidas gegen Deutschland und gegen ein Land in Europa überhaupt. Am Sonntag taucht auf der Propaganda-Plattform von El Kaida, as- Sahab, die vierte Botschaft Harrachs seit Anfang 2009 auf. Diesmal ist er nur vermummt zu sehen. Laut «Spiegel Online» richtet er sich darin nicht an die deutsche Öffentlichkeit, sondern will deutschsprachige Muslime zum Dschihad (Heiliger Krieg) bewegen.

Die Gefahr islamistischer Terroranschläge gibt es seit Jahren. Die deutschen Sicherheitskräfte waren bisher aber stets gut informiert, mehrfach konnten Pläne wie bei der Sauerland-Gruppe im September 2007 rechtzeitig aufgedeckt werden. Gefahr besteht derzeit aber so oder so für die im Ausland lebenden Deutschen, vor allem für die Soldaten und Entwicklungshelfer in Afghanistan. Der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz sagt, dass man sich niemals den Terroristen beugen dürfe: «Wir lassen uns nicht hinbomben in eine bestimmte Richtung.»

Terrorismus / Wahlen / Bundestag
20.09.2009 · 21:47 Uhr
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