Analyse: Durften die Amerikaner Bin Laden erschießen?

Berlin (dpa) - Osama bin Laden war ein Massenmörder - diese Einschätzung ist in den westlichen Demokratien Konsens. Eine ganz andere Frage ist, ob es rechtens war, ihn zu töten.

Die USA hatten nach den Worten eines Top-Beraters von Präsident Barack Obama nicht von vornherein die Absicht, den Terroristenchef zu töten. Bei der nächtlichen Kommandoaktion in Pakistan soll es jedoch zu einem Schusswechsel gekommen sein. Damit könnten die USA argumentieren, dass ihre Elitesoldaten in Notwehr handelten, als sie Bin Laden erschossen.

Am Dienstag bestätigte der Sprecher des Weißen Hauses, Jay Carney, dass Bin Laden entgegen früheren Angaben unbewaffnet war. Allerdings habe sich der Al-Kaida-Chef widersetzt. «Widerstand zu leisten erfordert keine Feuerwaffe», sagte Carney wörtlich.

Der Nachrichtensender CNN berichtete, es habe sich um eine gezielte Liquidierung gehandelt; eine Festnahme sei nicht das Ziel gewesen. Sollte dies zutreffen, wäre das wesentlich heikler. Der Grundsatz, dass niemand ohne Prozess bestraft werden kann, macht den Kern eines Rechtsstaates aus.

Das Völkerrecht sieht nur wenige Ausnahmen dafür vor. Hitler hätte man danach töten dürfen - dies wäre ein Tyrannenmord gewesen. Doch wie der Name schon sagt, versteht man darunter die Tötung eines Diktators, der ein Volk drangsaliert.

«Bei Tyrannenmord würde man eher an Gaddafi denken», meint der Kölner Völkerrechtsprofessor Claus Kreß. «Bei Bin Laden passt das nicht so sehr.» Genauso sieht es der Berliner Völkerrechtler Christian Tomuschat: «Bin Laden war ja nicht jemand, der über einen Unterdrückungsapparat verfügt hat.»

Den USA bliebe in diesem Fall eventuell noch ein anderer Weg, um ihr Vorgehen zu rechtfertigen: Sie könnten die Tötung des Al-Kaida-Chefs als eine kriegerische Operation darstellen. Das entspräche dem, was die US-Regierung seit den Anschlägen vom 11. September 2001 immer wieder gesagt hat: «Wir befinden uns in einem Krieg gegen den Terrorismus.»

Im Völkerrecht wird anerkannt, dass nicht nur Staaten als Konfliktparteien gegeneinander Krieg führen können, sondern auch nichtstaatliche Organisationen. Vor dem Aufkommen des internationalen Terrorismus traf dies vor allem in einer Bürgerkriegssituation zu. Ob die Terrororganisation Al-Kaida als Konfliktpartei gelten kann, ist aber fraglich.

Dafür müssten bestimmte Kriterien erfüllt sein. «Die Kernfrage ist: War Al-Kaida zum Zeitpunkt der Tötungsaktion noch Partei eines bewaffneten Konflikts?», erläutert Kreß. «Vereinfacht gesagt: War sie eine quasimilitärische Organisation, von der eine kriegsähnliche Gefahr für die USA ausging? Und wurde sie von Bin Laden kommandiert?»

Für das Jahr 2001, als Al-Kaida in Afghanistan über große Ausbildungslager und starken Rückhalt durch die Taliban verfügte, könnte dies eventuell zutreffen. Aber nach allem, was heute bekannt ist, hat sich Al-Kaida seitdem zu einem losen Terrornetzwerk entwickelt. Viele sind davon überzeugt, dass Bin Laden zuletzt eher ein «spiritueller Führer» war.

Tomuschat glaubt, dass die USA die Akzeptanz für «targeted killings» - gezielte Tötungen - erhöhen wollen. «Die Amerikaner versuchen, eine neue Völkerrechtsregelung zu schaffen. Irgendwann kann man eben sagen: 'Das hat sich mittlerweile konsolidiert, niemand hat widersprochen.' Das kann sehr schnell gehen. Ich bin grundsätzlich sehr ablehnend gegenüber der gezielten Tötung.»

Terrorismus / USA
03.05.2011 · 21:57 Uhr
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