Analyse: Düstere Prognose - Schäuble wartet ab, FDP unbeirrt

Berlin (dpa) - Wolfgang Schäuble gab sich betont gelassen. Die schlechten Zahlen der Steuerschätzer seien nun wirklich keine große Überraschung, sagte der Finanzminister. Ohne jede Dramatik zählte er die Milliardenausfälle auf, die sich für die Staatskassen Jahr für Jahr ergeben.

Bis Ende 2013 könnten sich die Ausfälle auf fast 39 Milliarden Euro summieren - gegenüber früheren Prognosen. Fehlende Einnahmen, die den Spardruck bei Bund, Ländern und den ohnehin klammen Kommunen noch erhöhen. Und sie verschlechtern die Chancen auf weitere Milliarden-Steuersenkungen.

Die FDP und etliche Koalitionspolitiker blenden dies - ebenso wie die Griechenland- und Euro-Krise - aus und schwärmen unbeirrt gar von Rekordeinnahmen.

Wer angesichts der ernüchternden Zahlen erwartet hatte, dass der oberste Kassenwart die Vorlage der Steuerschätzer nutzt und den Daumen für die schwarz-gelben Steuerpläne endgültig nach unten senkt, sah sich getäuscht. Erst auf Nachfrage ging Schäuble auf die Steuersenkungs-Versprechen des Regierungsbündnisses ein, um dann lediglich immer wieder auf den Koalitionsvertrag zu verweisen.

So vermied es Schäuble, der sich zuletzt mehrfach skeptisch zu weiteren Milliarden-Steuersenkungen äußerte, Öl ins Feuer zu gießen. Schließlich steht am Sonntag die Wahl in Nordrhein-Westfalen an. Schwarz-Gelb zittert in Düsseldorf und Bundesrat um die Mehrheit. Die versprochene Klarheit noch vor der NRW-Wahl dürfte es kaum geben. Die Tage bis Sonntag müssen nun auch noch überbrückt werden.

Selten wurde eine Steuerschätzung derart zu einem Großereignis aufgebauscht, wie die diesjährige Mai-Prognose. Seit mehr als einem halben Jahr tun Union und FDP so, als könnten sie nur nach Vorlage der neuen Schätzerzahlen sagen, wie es mit zentralen Wahlversprechen überhaupt weitergeht. Der Öffentlichkeit wurde vorgegaukelt, dass sich erst dann mögliche finanzielle Spielräume zeigen würden.

Dabei war allen Beteiligten schon vor Monaten klar, dass es mit der Mai-Schätzung keine positiven Überraschungen geben wird und sich keine neuen Steuerquellen auftun werden. Vor allem Kommunen müssen überproportionale Einnahmenausfälle verkraften. Bei weiteren Mindereinnahmen dürften Städte und Gemeinden Leistungen streichen oder Gebühren anheben. Bürger hätten dann trotz Steuersenkungen am Ende weniger Geld in der Tasche und müssten auf manches verzichten.

Was im Herbst niemand ahnen konnte, war die Griechenland-Krise. Die FDP und mancher Unions-Politiker behaupten, es gebe keinen Zusammenhang zwischen Steuersenkung und den Griechenland-Hilfen. Schließlich, so argumentieren sie, handele es sich nicht um Gelder aus dem Haushalt. Der Bund bürge lediglich für die Athen-Kredite der Staatsbank KfW von bis zu 22,4 Milliarden Euro. Das stimmt.

Das Schuldendrama rund um Griechenland und die Turbulenzen in der Euro-Zone aber machen mehr als deutlich, wie wichtig solide Staatsfinanzen sind. Gerade schießen sich die Märkte auf andere hoch verschuldete Euro-Staaten ein. Deutschland steht noch gut da bei Geldgebern. Europas größte Volkswirtschaft schiebt aber einen Schuldenberg von 1,7 Billionen Euro vor sich her. Die im Ausland viel beachtete Schuldenbremse steht bisher nur auf dem Papier.

Die FDP beharrt dennoch auf Steuersenkungen. Sie macht folgende Rechnung auf: Der Staat werde in den nächsten Jahren wesentlich mehr Einnahmen haben als heute, 2013 seien nach der aktuellen Prognose sogar «Rekord-Einnahmen» von 561,3 Milliarden Euro zu erwarten. Niemals seit dem Zweiten Weltkrieg, legte FDP-Generalsekretär Christian Lindner allen Ernstes nach, seien die Einnahmen so hoch wie das für 2013 erwartete Steueraufkommen des Staates.

Das 2013 erwartete Volumen wäre in der Tat der höchste Wert in der bundesdeutschen Geschichte nach den 561,2 Milliarden Euro von 2008 - dem Jahr vor dem Wirtschaftseinbruch. Fest steht auch, dass 2013 ein Rekord-Schuldenberg von fast 2 Billionen Euro zu Buche schlagen wird.

Natürlich legen Steuereinnahmen mit wachsender Wirtschaft wieder zu, nun aber von einem niedrigeren Niveau aus. Es ist schlicht eine Tatsache, dass die tatsächlichen Steuereinnahmen letztlich immer steigen - aber mal mehr oder weniger als von den Schätzern erwartet. Seit 1950 musste der Staat nur fünfmal einen Rückgang zum Vorjahr hinnehmen, zuletzt 2009. 2010 könnte ein sechstes Mal hinzukommen.

Ergebnis der Steuerschätzung: http://dpaq.de/xFRjF

Steuern / Haushalt
06.05.2010 · 16:29 Uhr
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