Analyse: Angst vor Horrorszenario in Athen
«Das Volk wird uns entgegenkommen, aber es muss zunächst überzeugt werden, dass Steuerhinterziehung bekämpft wird und diejenigen, die sich bereichert haben, zur Rechenschaft gezogen werden», antwortete der Staatspräsident.
Griechische Politiker haben Angst vor einem Horrorszenario für die Wirtschaft des Landes und letzten Endes auch für die Existenz des Staates. Sie fürchten den Zorn der Bürger, vor allem derjenigen, die stets ihre Steuern und Arbeitnehmerbeiträge bezahlt haben. «Millionen sehen jetzt, dass sie trotz all ihrer Loyalität den Preis bezahlen müssen. Vor allem die Rentner, die sich nicht mehr mit Streiks wehren können», sagte ein Steuerberater.
«Vetternwirtschaft und Korruption kann man nicht bekämpfen, wenn nicht alle davon überzeugt sind, dass jetzt endlich Schluss damit sein muss», hieß- es in den Bars und Cafés in Athen am Montag. «Es ist nicht sicher, ob dieser Wasserkopf-Staat die Steuern eintreiben kann», meinte ein hoher Beamter des Finanzministeriums. Gleichzeitig könnten gewaltige Streiks alle Reformen und Einsparungen zunichtemachen - ein «Horrorszenario», wie der Experte einräumt.
Die regierungsnahe Zeitung «Ta Nea» rechnete am Montag vor, was ein durchschnittlicher Staatsbediensteter durch die Kürzungen verliert, die die Regierung am Sonntag beschlossen hat. Ein Beamtenehepaar mit bislang zusammen 38 668 Euro im Jahr muss jetzt mit 35 404 Euro auskommen - «minus 3264 Euro». Nach Gewerkschaftsberechnungen geht es um Einkommensverluste zwischen 20 und 30 Prozent.
Am schlimmsten trifft es die kleinen Rentner, die mit 600 Euro im Monat auskommen müssen. Denn die indirekten Steuern wurden bereits zum dritten Mal seit Jahresbeginn angehoben. Die Mehrwertsteuer wurde von 19 Prozent Anfang des Jahres zweimal auf insgesamt 23 Prozent erhöht. Am Mittwoch wollen die Gewerkschaften Griechenland lahmlegen. Das Motto des Streiks lautet: «Den Preis sollen diejenigen zahlen, die das Geld haben.»
Was dem Land jetzt fehlt, sei eine neue Idee, ein neues «nobles» Ziel: «Wie die Olympischen Spiele 2004, die wir trotz Hiobs-Prophezeiungen wunderbar ausgetragen haben», sagte ein Radiokommentator. Ist das möglich? Einige meinen, die Griechen seien ein Seefahrervolk und an raue Winde gewöhnt. «Wir schaffen es in Deutschland ohne Steuerhinterziehung und Vetternwirtschaft», meint ein 55 Jahre alter Grieche, der seit Teenagertagen in Deutschland lebt und erfolgreich eine Taverne in Schleswig Holstein betreibt. Das müsse doch auch in Griechenland möglich sein.
«Es ist notwendig, dass wir ein besseres Griechenland schaffen. Es liegt in unserer Hand», sagt Ministerpräsident Papandreou. Dabei wirkt der schlanke Mann aber müde und gestresst. Griechische Medien bemerken, seine Haare seien binnen weniger Wochen grauer geworden.