Ägypten im Wahlfieber: Islamisten auf Kurs zur Macht

Kairo (dpa) - Ägypten hat einen weiteren Schritt zum demokratischen Wandel gemacht. Erstmals seit dem Sturz des langjährigen Machthabers Husni Mubarak im Februar wählten die Ägypter ein neues Parlament. Favorisiert ist die islamistische Muslimbruderschaft.

Die Aussicht auf faire und freie Wahlen ohne Schlägertrupps und gefälschte Stimmzettel mobilisierte am Montag so viele Wähler wie nie zuvor. Die Wahlbeteiligung lag in einigen Bezirken bei bis zu 70 Prozent. Der erste Wahltag verlief bis zur Schließung der Wahllokale um 21.00 Uhr fast überall friedlich. Die Wahllokale sollen an diesem Dienst erneut öffnen. Als Favorit gilt ein Parteienbündnis unter Führung der jahrzehntelang verbotenen islamistischen Muslimbruderschaft.

Die Muslimbrüder stehen dem Friedensvertrag mit Israel kritisch gegenüber. Sie wollen außerdem eine stärkere Ausrichtung der Gesetzgebung an der islamischen Rechtsprechung Scharia. Gegengewicht ist die «Ägyptische Allianz». Das Bündnis aus linken, bürgerlichen und liberalen Parteien tritt unter anderem für eine strikte Trennung von Staat und Kirche ein. Die Nationaldemokratische Partei von Ex-Präsident Mubarak, die jahrzehntelang die ägyptische Politik dominierte, war im Frühjahr aufgelöst worden.

Rund 50 der insgesamt 85 Millionen Ägypter sind aufgerufen, die 498 Abgeordneten im Parlament zu bestimmen. Gewählt wird bis zum 10. Januar in drei Etappen. Diesmal geben zuerst 17,5 Millionen Wahlberechtigte in Kairo, Alexandria und sieben weiteren Provinzen ihre Stimmen ab. Dafür haben sie Zeit bis Dienstagabend. Dann sollen auch schon die Ergebnisse der Direktkandidaten veröffentlicht werden. Nach tagelangen gewaltsamen Ausschreitungen sicherten Tausende von Sicherheitskräften die Wahllokale ab.

Im Dezember und Januar folgen die anderen 18 Provinzen. Nach jedem Wahlgang ist eine Stichwahl in den Bezirken vorgesehen, in denen kein Kandidat die absolute Mehrheit erreicht hat. Das amtliche Wahlergebnis soll am 13. Januar bekanntgegeben werden.

Die Wahl ist ein weiterer Schritt zu einem demokratischen Wandel. In dem bevölkerungsreichsten arabischen Land herrscht derzeit noch ein Militärrat. Ein neuer Präsident wird erst Mitte kommenden Jahres gewählt.

Viele ältere Ägypter, die aus Resignation über die Allmacht der regierenden Nationaldemokratischen Partei von Mubarak schon seit Jahren nicht mehr wählen gegangen waren, reihten sich am ersten Wahltag in die Schlangen ein. Augenzeugen sprachen von einer «Atmosphäre der Sicherheit», wie es sie früher bei Wahlen nicht gegeben habe.

Der Militärratschef, Feldmarschall Mohammed Hussein Tantawi, machte eine Runde durch Kairoer Wahllokale, um sich über den Verlauf des Urnengangs zu informieren, wie das Staatsfernsehen berichtete. Bis zum Nachmittag kam es lediglich in einem Wahlbezirk der südlichen Provinz Assiut zu Gewalt, als Angehörige des Stammes eines Kandidaten ein Wahllokal stürmten, weil der Kandidat ausgeschlossen worden war.

Beobachter meldeten, in einigen Wahlbezirken habe die Stimmabgabe nicht pünktlich begonnen, weil die Richter, die dort Aufsicht führen sollten, nicht rechtzeitig erschienen, oder weil Stimmzettel nicht gestempelt waren. Vielerorts verstießen Parteimitglieder gegen das Verbot, vor den Wahllokalen für ihre Kandidaten zu werben. Vor allem Anhänger der islamistischen Partei der Freiheit und Gerechtigkeit - der politische Arm der Muslimbrüderschaft - verteilten Flugblätter.

In Ägypten war die Wahlbeteiligung in der Mubarak-Ära immer sehr niedrig gewesen. Bei der letzten Parlamentswahl 2010 hatte sie offiziell bei 35 Prozent gelegen. Beobachter hatten jedoch damals vermutet, dass diese Zahl geschönt war.

Der Wahlkampf war von Protesten gegen das herrschende Militär und von Gewalt gegen Demonstranten überschattet gewesen, die 41 Menschen das Leben kosteten. Auf dem Tahrir-Platz, der das Zentrum der Proteste war, harrten am Wahltag nur noch einige hundert, vorwiegend junge Demonstranten aus.

Wahlen / Unruhen / Ägypten
28.11.2011 · 22:07 Uhr
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