Viva España, adiós Alemania! - Spanien im Fußballrausch
Wie Millionen Spanier war Martínez nach dem Sieg der «Roja» (Roten) über das deutsche Team im WM-Halbfinale auf die Straße gestürmt, um die erste Endspielteilnahme in der Geschichte seines Landes zu feiern.
Und wie viele andere sang er aus vollem Hals: «Yo soy es-pa-ñol, es-pa-ñol, es-pa-ñol» (Ich bin Spanier). Das Lied, gesungen zur berühmten russischen «Kalinka»-Melodie, ist Ausdruck des Nationalstolzes, den David Villa und Co. in ihrer Heimat beflügelt haben. Wirtschaftsmisere und Arbeitslosigkeit? Die scheinen wie weggeblasen. «Lassen Sie uns die Krise doch heute einfach vergessen und fröhlich sein», rief Juan Ramón Lucas, einer der beliebtesten Radiomoderatoren Spaniens, am Donnerstag seine Hörer auf.
Von Galicien im Norden bis Andalusien im Süden hatten das Millionen Spanier schon in der Nacht praktiziert. «Ich kann es nicht fassen. Mein ganzes Leben habe ich darauf gewartet, dass Spanien endlich in ein WM-Finale kommt», schrie der 38-jährige Santiago auf der Fanmeile neben Real Madrids Bernabéu-Stadion in der spanischen Hauptstadt. Rund 50 000 Menschen hatten dort bei brütender Hitze an einer Riesenleinwand den 1:0-Sieg der «selección» miterlebt. Dass ausgerechnet Carles Puyol vom Erzrivalen FC Barcelona das Tor erzielte, war Nebensache. «Viva España, adiós Alemania», lautete das Motto.
Einige schrieben den Erfolg dem Heiligen Fermín zu, der am Mittwoch in Spanien gefeiert wurde - in Pamplona mit der berühmten Stierhatz. «Die Deutschen werden nun Tintenfisch essen», meinte ein Fan in Anspielung auf WM-Krake Paul, die in Spanien inzwischen zum Medienstar avanciert ist. «Nun werden wir auch Weltmeister», ist der 34 Jahre alte Oscar indes überzeugt. «Die Niederländer sind längst nicht so stark wie die Deutschen.» Und seine Frau fügte hinzu: «Am Sonntag gibt es Orangensaft!»
Was dann in Spanien los sein würde, demonstrierten viele bereits in der Nacht zum Donnerstag. «Campeones, campeones, oé, oé, oé!», skandierte eine Gruppe Jugendlicher, ehe sie im Herzen Madrids mit einer Pokal-Attrappe zur Abkühlung in den Brunnen an der Puerta del Sol (Sonnenpforte) sprangen.
Die Polizei, die mit einem Großaufgebot zur Stelle war, drückte alle Augen zu. Es sei in Madrid ohnehin friedlich geblieben, teilten die Behörden mit. Vereinzelte Randale gab es dagegen in Barcelona, fünf Unruhestifter wurden dort festgenommen. In Spaniens zweitgrößter Stadt waren die Menschen erbost, weil es dort kein Public Viewing gab.
Wer könnte den Menschen ihren Jubelausbruch aber schon verübeln? Selbst Königin Sofía, sonst die Zurückhaltung in Person, hatte es im Stadion in Durban vor Freude nicht mehr auf ihrem Sitz gehalten. Auch Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero war aus dem Häuschen: «Was für ein Sprung, was für ein Kopfballtor!», schwärmte der Barça-Fan über Puyol. «Diese Freude wird dem Land guttun», ergänzte er angesichts der Sorgen so vieler Spanier über die Finanzmisere.
Einige sahen in dem Sieg auch eine andere politische Dimension. «Die Krise können sich die Deutschen nun an den Hut stecken», sagte ein Fan. Viele sind in dem Land nämlich der Meinung, dass der harte Sparplan der Regierung Zapatero letztendlich von Berlin diktiert wurde. Zumindest auf dem Rasen habe sich Spanien nun revanchiert, so der Tenor.
Davon abgesehen gab es für die DFB-Auswahl fast nur Lob. Und dass Joachim Löw die Überlegenheit Spaniens in der Partie anerkannte und die «selección» gar als Weltmeister sieht, fand auch große Anerkennung. «Er ist ein echter Gentleman», befand ein TV- Kommentator.