Verborgene Kontamination: Offshore-Windparks können Chemikalien ins Wasser abgeben
Offshore-Windparks sind ein wichtiges Element der Energiewender. In ihnen wird sauberer Strom generiert, der entweder direkt ins Stromnetz eingespeist werden oder für die Produktion von grünem Wasserstoff verwendet werden kann. In der deutschen Nordsee soll die Kapazität der Offshore-Windparks bis zum Jahr 2050 auf 50 bis 70 Gigawatt ausgebaut werden. Allerdings ist bis heute umstritten, welche Auswirkungen die Offshore-Parks auf die Umwelt haben. Der Baulärm stört Meerestiere und die Rotoren können Seevögel verletzen oder gar töten. Auf der anderen Seite fungieren Windparks auch als eine Art künstliches Riff und schaffen so neuen Lebensraum. Nun fanden Forscher:innen heraus, dass aus den Windparks im Meer 228 verschiedene Chemikalien ins Meer gelangen könnten – darunter 62 Substanzen, die als Schadstoffe eingestuft sind.

228 Chemikalien identifiziert
Diese Erkenntnisse stammen von einem Team rund um Elena Hengstmann vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH). Als mögliche Quelle für Chemikalien, die dann ins Mehr gelangen, gelten etwa Korrosionsschutzmaßnahmen oder Substanzen, die im Betrieb verwendet werden, zum Beispiel zum Schmieren oder zum Schutz vor Feuer. Welche Chemikalien von Offshore-Windparks in die Umwelt abgegeben werden, ist bisher kaum erforscht. Das Team durchsuchte im ersten Schritt deshalb Artikel aus der Forschung sowie Sicherheitsdatenblätter nach Chemikalien, die in Frage kommen.
Daraus resultierte eine Liste von 228 verschiedenen Chemikalien, die sich in Windanlagen finden. „Die 228 identifizierten Verbindungen umfassen eine Vielzahl chemischer Stoffgruppen, wobei 64 Prozent der erfassten Substanzen organische Verbindungen sind, darunter insbesondere phenolische Verbindungen„, schreibt das Team. Dagegen sind 19 Prozent der identifizierten Chemikalien anorganisch.
Insgesamt 62 dieser Stoffe sind als umwelt- oder gesundheitsschädlich klassifiziert, so die Forscher:innen. Darunter sind etwa polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) sowie per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS). Einige der gefundenen Stoffe gelten als kaum abbaubare Ewigkeitschemikalien, andere können sich in der Nahrungskette und in Geweben anreichern. Insgesamt gelten 25 der gefundenen Chemikalien als karzinogen, 14 wirken hormonell und 17 sind fortpflanzungsschädigend.
Woher kommen die möglichen Emissionen?
Die Liste mit den Chemikalien nahmen die Forscher:innen dann als Grundlage, um die Ursprünge der einzelnen Stoffe weiter einzugrenzen. Dabei konnten sie insgesamt 13 Quellen für chemische Emissionen identifizieren. 70 Prozent der Chemikalien stammen aus Korrosionsschutzmaßnahmen wie etwa die Korrosionsbeschichtungen der Stahlbauteile, die aus verschiedenen Polymeren wie etwa Polyurethan bestehen und zudem mit Zusatzstoffen versetzt sind. Aber auch die sogenannten Opferanoden gehören zu den Korrisionsschutzmaßnahmen. Dabei handelt es sich um „einfache Ziele“ für die Korrosion durch Meerwasser, welche dazu dienen, die stählernen Bauteile der Anlagen zu schützen.
Zehn Prozent der chemischen Emissionen stammen aus Schmiermitteln, die an den beweglichen Teilen der Windkraftanlagen eingesetzt werden. Diese enthalten verschiedene Kohlenwasserstoffe und Phenole sowie Zusatzstoffe.
Wie viele Chemikalien gelangen tatsächlich in die Umwelt
Allerdings bleibt für alle der 228 Chemikalien weiterhin unklar, wie viele davon überhaupt ins Meer gelangen. Dementsprechend ist natürlich auch nicht bekannt, in welcher Konzentration dies geschieht. Eine entsprechende Untersuchung wäre zudem sehr aufwendig, da hochmoderne Analysemethoden benötigt werden würden, die auch sehr geringe Konzentrationen nachweisen können. Diese sind dann allerdings nur punktuell eingesetzt werden, eine Analyse ganzer Meeresgebiete ist nicht möglich. Zudem wäre eine Rückverfolgung der Verunreinigungen in Umgebungen mit vielen Emissionsquellen sehr komplex und mit derzeit verfügbaren Methoden kaum umsetzbar. Schließlich könnten viele der Chemikalien auch von Schiffen oder anderen Offshore-Technologien stammen.
Trotz dieser Einschränkungen raten die Forscher:innen dazu, die potenzielle Freisetzung von Schadstoffen durch Offshore-Windanlagen besser zu überwachen. „Es ist wichtig, die Auswirkungen solcher chemischen Emissionen von Offshore-Windparks auf die Umwelt zu kennen, um das Meeresökosystem zu schützen„, schreibt das Team.
Eine mögliche Methode, um dies zu ermöglichen, wäre die Messung der Konzentration ausgewählter Stoffe vor dem Bau und während des Betriebs der Anlagen. So könnten eventuell auftretende Veränderungen ermittelt werden.
Deutschland ist in einer Vorreiterrolle
Die Arbeit der Forscher:innen zeigt außerdem, dass einige der möglichen Schadstoff-Emissionen technisch vermieden werden könnten. Denkbar wäre etwa der Einsatz alternativer Korrisionsschutzsysteme, geschlossener Kühlsysteme oder Betriebsstoffe, die biologisch abgebaut werden können.
Die gute Nachricht: Deutschland befindet sich in der Hinsicht relativ weit vorne. Es gibt verbindliche technische und umweltbezogene Anforderungen, die durch das Bundesamt für Schifffahrt und Hydrographie festgelegt werden. Dazu gehört etwa ein Verbot zinkbasierter Anoden zum Korrosionsschutz oder der erzwungene Verzicht auf biozidhaltige Antifouling-Beschichtungen.
Hinzu kommt, dass die Projektträger in Deutschland bereits in der Planungsphase ein Emissionskonzept einreichen müssen, das auch genehmigt werden muss. Anschließend erfolgt eine umfassende Emissionsstudie. Die Forscher:innen sind der Ansicht, dass die deutschen Leitlinien in diesem Fall ein Vorbild für die internationale Anwendung sein könnten.
via BSH

