Streiks, Proteste und Krawalle in Griechenland
Das massive Sparprogramm der Regierung mit Gehaltskürzungen, Anhebung des Renteneintrittsalters und Steuererhöhungen soll an diesem Sonntag bekanntgegeben werden. Die Bahn und die Fähren wurden am Samstag bestreikt. In staatlichen Krankenhäusern behandelten die Ärzte nur Notfälle. Am Mittag versammelten sich im Zentrum der Hauptstadt an zwei Plätzen die Gewerkschaften zu Mai-Demonstrationen. Daran beteiligten sich nach Schätzungen mehr als 10 000 Menschen, zumeist Staatsbedienstete und Mitglieder oder Sympathisanten der Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE).
Auch in der Hafenstadt Thessaloniki und in anderen Städten des Landes gingen mehrere tausend Menschen auf die Straßen, berichtete das Fernsehen. Insgesamt waren es aber weniger, als von den Gewerkschaften zum Maifeiertag erhofft.
An Athens zentralem Syntagmaplatz kam es zu Zwischenfällen. Automome warfen Steine auf die Polizei und attackierten Fernsehteams. Die Polizisten setzten Tränengas ein, um die Randalierer auseinanderzutreiben und die Journalisten zu schützen. Die Demonstranten zogen anschließend durch das Stadtzentrum. Dabei kam es erneut zu Ausschreitungen, ein Übertragungswagen des staatlichen Fernsehens wurde angezündet und brannte aus. Vermummte lieferten sich Schlägereien mit der Polizei und warfen in den engen Gassen Steine auf Schaufenster und Banken.
Der ehemalige sozialistische Parlamentspräsident und heutige Abgeordnete Apostolos Kaklamanis wurde mit Flaschen und Steinen beworfen. Demonstranten beschimpften Politiker als Diebe und Lügner und drohten ihn zu lynchen. In letzter Minute konnte er sich in ein Café retten. Am Nachmittag verlagerten sich die Ausschreitungen in das als Hochburg der Autonomen geltende Stadtviertel Exarcheia.
Die Generalsekretärin der Kommunistischen Partei, Aleka Papariga, rief zum «Aufstand» gegen das «verfaulte politische System» auf. Der Präsident der Staatsbediensteten-Gewerkschaft (ADEDY), Spyros Papaspyros, forderte die Beamten zum «Kampf» um ihre Rechte auf. «Die Rechnung müssen diejenigen zahlen, die für die Defizite verantwortlich sind», meinte der Gewerkschaftler im Fernsehen.
Die Grundzüge des Sparprogramms: Die Gehälter im staatlichen Sektor sollen eingefroren werden, das 13. und 14. Monatsgehalt soll wegfallen. Das durchschnittliche Rentenalter soll von 61,3 auf 63,4 Jahre steigen. Die Mehrwertsteuer könnte von 21 auf 23 oder sogar 25 Prozent klettern. Auch die Steuern auf Tabak, Spirituosen und Kraftstoff sollen steigen.
Experten befürchten wachsenden Widerstand in der Bevölkerung. Vor allem die zunftartigen Gewerkschaften des wichtigen staatlichen Bereichs und die kleineren kommunistischen Gewerkschaften proben den Aufstand. Sie wollen am 5. Mai das Land mit weitreichenden Streiks lahmlegen. Vom Montag an wollen die Lehrer jeden Tag vier Stunden streiken. Industrielle und Händler fürchten, dass diese Maßnahmen den Markt abwürgen und zu einer dramatischen Depression führen könnten.
Die Griechen müssen in den kommenden drei Jahren eine Herkules- Aufgabe stemmen. Insgesamt muss das elf Millionen Einwohner zählende Land 24 Milliarden Euro sparen. Das sieht nach bisherigen Informationen die Einigung mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Union (EU) vor. Nur so kann Athen auf die Kredithilfen des IWF und der Euro-Länder in Höhe von voraussichtlich rund 120 Milliarden Euro über drei Jahre hoffen