Sam Fender: Triumphzug durch die O2 Arena mit Working-Class Hymnen
Die Popularität eines Songs bei einem Sam Fender-Konzert lässt sich am besten an den wild in die Luft gestreckten Zeigefingern der Konzertbesucher ablesen. Bei seinem Auftritt in der O2 Arena gab es eine schier unüberschaubare Zahl davon, die alle auf Fender im Bob-Dylan-T-Shirt gerichtet waren, während er sang und Gitarre spielte. In dieser eindrucksvollen Szenerie spiegelte sich nicht weniger als eine Wahlurne wider, bei der die meisten Stimmen für Fenders packende Musik abgegeben wurden. Im Gegensatz zu anderen Künstlern, die sich von massiver Unterstützung überwältigt fühlen könnten, lebt Fender regelrecht davon.
Der Singer-Songwriter aus North Shields, nahe Newcastle, gibt einer Arbeiterklasse eine Stimme, die in den letzten Jahrzehnten aus dem britischen Kulturleben verdrängt worden war. Seine Lieder beginnen oft zügig und gewinnen an Fahrt, bis sie scheinbar unaufhaltsam werden. Vorwärts, dem symbolischen strahlenden Bühnenlicht entgegen. Sein Konzert in der Londoner O2 Arena, das erste von zwei, fand am Ende einer ausverkauften UK- und Irland-Tournee statt.
Er eröffnete mit "Dead Boys" von seinem Debütalbum "Hypersonic Missiles" aus dem Jahr 2019. Der Song behandelt das ernste Thema der jungen Männer, die in Fenders wirtschaftlich benachteiligter Heimatstadt Suizid begehen. "Lasst euch sehen, London", rief er in seinem ausgeprägten Geordie-Akzent, während das Stück in schlagende Drums und Gitarren überging und die Menge mittendrin war. Hoffnung ist Fenders Währung, nicht Anklage oder Verzweiflung.
Mit seiner siebenköpfigen Band um sich herum stand Fender am Mikrofon. Dean Thompson, ein Freund aus Kindheitstagen, agierte als Leadgitarrist, während Drew Michael den Songs am Schlagzeug Drive verlieh. Neu in der ansonsten rein männlichen Band war Brooke Bentham mit ihren Background Vocals. Johnny Davis am Saxophon verwies auf die Verwandtschaft mit Bruce Springsteens Arbeiter-Hymnen. Dieses Erbe ist anerkannt: Springsteens "Born to Run" ertönte vor Beginn der Show.
Doch Fender wirbelt nicht über die Bühne wie sein amerikanisches Vorbild. Stattdessen holte er einen jungen Fan auf die Bühnen, um zusammen mit ihm "The Borders" auf Akustikgitarre zu spielen – ein Akt für das Volk, wenngleich ohne die Showman-Energie eines Springsteens. Fender bleibt bodenständig und menschlich, seine Anziehungskraft liegt in der normalen Erscheinung.
Mit einer Mischung aus Zartheit und Kraft sang er, insbesondere während der gefühlvollen Passagen mit großem Vibrato. Moshpits öffneten sich während der energiegeladenen Songs "Howdon Aldi Death Queue" und "Spice". Eine kraftvolle Version von The Clash's "London Calling" wurde von Thompson und Joe Atkinson dargeboten. Und am Klavier eröffnete Fender "The Dying Light" allein, mal fluchend, mal lachend, als er die Akkorde verpatzte.
Den größten Applaus erhielt er für den letzten Song vor der Zugabe, den mitreißenden Titeltrack von 2021's "Seventeen Going Under". Nachfolger "People Watching" erscheint im Februar, wobei der Song "Nostalgia's Lie" aus dem neuen Album noch keine Euphorie entfachte. Doch "Arm's Length" animierte zum Mitsingen, inspiriert von einem Fleetwood Mac-artigen Gitarrenriff.
Auch die treibende Lead-Single "People Watching" wurde beinahe genauso enthusiastisch empfangen wie "Seventeen Going Under". Der nächste Test wartet auf Fender, aber das Ergebnis scheint vorgezeichnet. Dies wirkte wie eine Siegesrunde.

