Report: Filmreifer Agentenaustausch in Wien

Wien (dpa) - Es ist der wohl größte Agentenaustausch seit Ende des Kalten Krieges und Fernsehkameras sind zugelassen. In Wien übergeben die Geheimdienste Russlands und der USA ihr enttarntes Personal.

Die Operation geht flott über die Bühne - die Regierungen haben offensichtlich großes Interesse, einen Schlusspunkt unter die Affäre zu setzen. Vor der Kulisse des Flughafens bietet sich ein bizarres Schauspiel.

Um kurz nach halb Elf Uhr vormittags schwebt die weiße Jakolew Jak-42 mit russischer Flagge auf die Landebahn von Wien-Schwechat zu. Direkt danach setzt die amerikanische Chartermaschine von «Vision Airlines» auf. Die offizielle Fluginformation kennt beide Flieger nicht. Etwa eineinhalb Stunden stehen beide Maschinen nebeneinander in einer abgelegenen Ecke. Einige Menschen - wahrscheinlich die 14 Agenten - wechseln die Flieger. Dann heben die Jets wieder ab - Richtung Russland und USA. Von offiziellen Stellen heißt es nur: «Kein Kommentar.»

US-Präsident Barack Obama und sein russischer Kollege Dmitri Medwedew wollten das Problem schnell loswerden. Davon ist der Spionage-Experte und Leiter des Österreichischen Zentrums für Geheimdienst, Propaganda und Sicherheitsstudien an der Universität Graz, Siegfried Beer, im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa überzeugt. Beide Ländern hätten kein Interesse an einem Konflikt. Natürlich sei es sehr ungewöhnlich, dass die Welt dabei zuschaue: «Aber in drei Tagen ist das auch vergessen.»

Dass ausgerechnet das kleine Österreich als Tauschplatz ausgewählt wurde, ist leicht zu erklären: Das Alpenland ist politisch neutral, Sitz der Vereinten Nationen und kein Mitglied der NATO. Dazu kommt die günstige geografische Lage. Und auch die noch bestehenden Netze der verschiedenen Geheimdienste aus der Zeit, als die österreichische Hauptstadt ein Vorposten des Westens im Konflikt mit dem Ostblock war, dürfte eine Rolle gespielt haben. «Dass die Geheimdienste auch heute noch gleich an Wien denken, wundert mich nicht», sagt Beer.

Nach Einschätzung des aktuellen Verfassungsschutzberichts ist das Alpenland nach wie vor ein weltweit bedeutendes Operationsgebiet für Nachrichtendienste. Die Anzahl aktiver internationaler Geheimdienstlern innerhalb der Landesgrenzen sei überproportional hoch und werde in den nächsten Jahren nicht abnehmen. Allein in Wien tummeln sich nach Schätzung Beers bis zu 3000 Personen, die der Spionageszene zuzurechnen seien - gut getarnt in der Menge der vielen UN-Diplomaten. Statt um Politik gehe es heute meist um Wirtschafts-, Wissenschafts- oder Technikspionage. Aber auch die Internationale Atomenergiebehörde IAEA sei ein beliebtes Ziel.

Den Österreichern ist das geheime Treiben in ihrer Hauptstadt größtenteils «wurscht» - solange es sich nicht gegen das eigene Land richtet. Eine geringes Risiko auf Enttarnung, niedrige Strafbestimmungen und kurze Verjährungsfristen begünstigten die Arbeit der Nachrichtendienste, kritisiert der Verfassungsschutz. Falle mal etwas auf, werde das diplomatisch «unter der Hand» und nicht vor Gericht gelöst, sagt auch Beer: «Österreicher sind bequeme Leute. Wir haben uns im Kalten Krieg blendend mit den Amerikanern verstanden und auch mit den Russen kooperiert.»

Spionage / Justiz / Russland / USA
10.07.2010 · 10:04 Uhr
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