Referendum in Irland ist Zitterpartie für die EU

Dublin (dpa) - Zitterpartie für die EU: Irland hat erneut über das Schicksal der Europäischen Union abgestimmt. Knapp 16 Monate nach dem Scheitern des ersten Referendums über den Vertrag von Lissabon entscheiden die Iren am Freitag zum zweiten Mal über die Zukunft der Reformwerks.

Fällt der Vertrag wieder durch, gilt die EU-Reform als gescheitert. Letzte Umfragen deuten zwar auf eine Zustimmung hin. Jedoch gab es bis zuletzt noch viele Unentschiedene. Zudem hängt der Vertrag auch in Tschechien und Polen am seidenen Faden. Die Ergebnisse des Referendums werden am Samstagnachmittag erwartet.

Gut drei Millionen Wahlberechtigte in Irland sind aufgerufen, an die Urnen zu gehen und damit über die Zukunft der EU mit ihren 500 Millionen Einwohnern zu entscheiden. Bei der ersten Volksabstimmung im Juni 2008 hatten die Iren den Vertrag mit 53,4 Prozent Nein-Stimmen durchfallen lassen und die EU in die Krise gestürzt. Seitdem ist Irland jedoch tief in die Rezession gerutscht. Das Ja-Lager hofft, dass dies die Iren in die Arme der EU treibt.

Ministerpräsident Brian Cowen zeigte sich bei seiner Stimmabgabe vorsichtig optimistisch. Es sei ein wichtiger Tag in der Geschichte des Landes und er sei «hoffnungsvoll, dass es ein gutes Ergebnis wird». Auch andere Befürworter machten bis zuletzt Druck. Es sei ein «sehr entscheidender Tag für Europa», sagte der Vize-Präsident der EU-Kommission, Günther Verheugen, dem Südwestrundfunk. Der Lissabon-Vertrag soll die EU effektiver machen. Er kann nur mit Zustimmung aller 27 EU-Mitgliedsstaaten wirksam werden.

Auch die Gegner machen weiter mobil - obwohl Wahlkampf am Tag des Referendums eigentlich untersagt ist. In Dublin fahren Lautsprecherwagen durch die Stadt und riefen lautstark zum Nein auf. An Infoständen werden Flugblätter verteilt. Die Wählerin Elaine Ryan, die mit Nein gestimmt hatte, sagte, sie fühle sich durch die Ja-Kampagne von der Regierung «gegängelt». «Ein Nein ist ein Nein.»

Die Abstimmung startete nur schleppend - wofür wohl auch das ungemütliche Wetter verantwortlich war. Am frühen Nachmittag hatten in den Dubliner Wahllokalen durchschnittlich 20 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben. Die Lokale in den 43 Wahlkreisen haben allerdings bis 22.00 Uhr (2300 MESZ) geöffnet, damit die Menschen auch nach der Arbeit Wählen gehen können. Im vergangenen Jahr lag die Wahlbeteiligung bei 53,1 Prozent. Die Stimmauszählung beginnt am Samstag. Die Regierung hat im Falle eines erneuten Scheiterns ein drittes Referendum ausgeschlossen.

Nach letzten Umfragen wollen nun 55 Prozent für den Vertrag stimmen, und auch Wettbüros setzen auf eine satte Zustimmung. Aber schon vergangenes Jahr standen die Zeichen vor dem Referendum auf Ja. Experten gehe zudem davon aus, dass viele Iren ihre ungeliebte Regierung mit dem Referendum abwatschen wollen. «Der Ärger ist sehr, sehr groß», sagte John O'Brennan von der Universität NUI Maynooth.

Irland hat die Finanzkrise besonders hart getroffen. Alle großen Parteien, Wirtschaftsverbände sowie Prominente haben deshalb für ein Ja getrommelt. Bei einem Nein würden Investoren fernbleiben und Arbeitsplätze vernichtet, hieß es. Die Lissabon-Gegner sahen darin eine Angst-Kampagne und warnten vor einem europäischen Superstaat.

Der Vertrag von Lissabon soll die EU zu schnelleren Entscheidungen fähig machen und den nationalen Parlamenten sowie dem Europaparlament mehr Rechte geben. Zudem soll das Amt des EU-Präsidenten geschaffen werden. Immer wieder wird spekuliert, dass dieses der ehemalige britische Premier Tony Blair bekommen könnte.

Irland ist das einzige Land der EU, das per Verfassung die Bevölkerung über den Vertrag abstimmen lassen muss. Um die Wähler gewogen zu machen, bekamen die Iren nach ihrem ersten Nein nun Zugeständnisse aus Brüssel. Der SPD-Europaabgeordnete Jo Leinen sagte MDR INFO, bei einem neuen Nein könnte man die Iren zwar nicht aus der EU werfen. Denkbar wären aber «Nachteile, zum Beispiel was die Finanzhilfen angeht».

Von dem Votum in Irland hängt auch ab, ob Polen und Tschechien den Vertrag abnicken. Der polnische Präsident Lech Kaczynski will im Falle eines positiven Ausgangs den Vertrag offensichtlich nicht länger blockieren. Das sagte Präsidentensprecher Pawel Wypych in der Zeitung «Dziennik Gazeta Prawna».

In Tschechien droht jedoch weiter Ungemach: Der EU-kritische tschechische Präsident Vaclav Klaus hatte betont, er werde lediglich darüber nachdenken, den Vertrag zu ratifizieren, wenn die Iren Ja sagten. Daneben läuft beim Verfassungsgericht in Brünn noch eine Klage gegen die tschechische Zustimmung.

In der EU gibt es derweil offensichtlich auch eine Debatte über einen Sondergipfel nach der irischen Abstimmung. Wie die französische Zeitung «Le Monde» berichtet, sträube sich die schwedische EU-Ratspräsidentschaft, die Staats- und Regierungschefs am 8. Oktober in Brüssel zusammenzurufen, um über das weitere Vorgehen zu beraten. So solle der Tscheche Klaus nicht brüskiert werden.

EU / Reformvertrag / Irland
02.10.2009 · 17:13 Uhr
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