Rechtes Thüringen - Wenn Neonazis den Unterricht schmeißen

In weißem Hemd und mit Sonnenbrille sitzt der - inzwischen mehrfach vorbestrafte - Neonazi André K. auf einer Parkbank. Mit Gewalt, so scheint es auf den ersten Blick, hat dieser Mann nichts zu tun. Er ist als Sprecher des militanten rechten Kameradschaftsnetzes Thüringer Heimatschutz (THS) vor die Filmkamera getreten.

Der THS sei geeignet für «Jugendliche ohne politische Bindung, die sich aber gern politisch bilden und betätigen wollen», führt K. in dem Schulfilm aus dem Jahr 2000 aus, der thüringische Jugendliche über Gewalt aufklären soll. Jugendlicher Extremismus mitten in Deutschland - Szenen aus Thüringen ist nun im Netz zu sehen, nachdem er jahrelang als verschollen galt. Hier können Sie das halbstündige Werk ansehen.

Nun ist der Thüringer Heimatschutz in diesen Tagen wieder in den Schlagzeilen. Denn neben K. war in der Kameradschaft die Zwickauer Terrorzelle um Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt dabei, die für eine beispiellose Mordserie an ausländischen Kleinunternehmern, einer Polizistin sowie zahlreiche Banküberfälle verantwortlich sein soll. Die Zelle hatte mehrere Helfer, die ebenfalls im Heimatschutz aktiv gewesen sein sollen und mittlerweile festgenommen wurden: Holger G. und Thüringens NPD-Vize Ralf Wohlleben, der dem Trio eine Waffe inklusiver Munition beschafft haben soll. Sie alle eint die Mitgliedschaft im Thüringer Heimatschutz.

Ex-Verfassungsschutzchef: Fast nur Propagandadelikte von rechts

Das gilt auch für Tino Brandt. Der «Heimatschützer» und thüringische Ex-NPD-Vize darf sich im Aufklärungsfilm als Pazifist darstellen. «Wir sind prinzipiell gegen Gewalt», sagt er. Widersprochen wird dieser Aussage nicht. Brandt selbst flog im Jahr 2001 als V-Mann des thüringischen Verfassungsschutzes auf. Dessen Ex-Chef Helmut Roewer werden schwere Versäumnisse bei der Verfolgung der Terrorzelle zur Last gelegt - etwa, weil das Trio 1998 trotz Observation untertauchen konnte.

Roewers Verfassungsschutz war es auch, der den Aufklärungsfilm über eine Tarnfirma produzieren ließ. Der Ex-Verfassungsschützer, der selbst im als rechtsextrem eingeschätzten Grazer Ares-Verlag ein umstrittenes Buch über Spionage im 2. Weltkrieg verfasst hat, spricht dann auch im Film selbst. Die Mehrzahl der rechten Straftaten, die in Thüringen von Rechten verübt würden, seien Propagandadelikte, so Roewer. «Das Schmieren von Hakenkreuzen, das Sieg-Heil Gebrüll sind Straftaten in Deutschland, in anderen Ländern ist das ganz anders, aber bei uns wird das bestraft», so Roewer. «Und so kommt es dann auch zu Statistiken, die in der Summe hoch erscheinen - immerhin über 1000 Straftaten im Jahr. Die ganz ganz überwiegende Masse sind solche Propagandadelikte.»

Kritker entsetzt: «Das ist eine derartige Verharmlosung»

Das ruft Kritiker auf den Plan: «Roewer bekommt (im Film, Anm. d. Red.) auch noch Gelegenheit, die rechte Szene zu verharmlosen, Strafen in Deutschland für Volksverhetzung in Frage zu stellen», lautet die Kritik der Jungen Gemeinde Jena-Stadtmitte mit ihrem Pfarrer Lothar König, die den Film nun ins Netz gestellt hat. Die Junge Gemeinde muss im Film für die gewaltbereiten linken Jugendlichen herhalten.

«Das ist eine derartige Verharmlosung der Anti-Antifa mit ihren militanten Strukturen», kritisiert Anetta Kahane von der Antonio-Amadeo-Stiftung, die sich um Opfer rechter Gewalt kümmert. THS-Sprecher André K. beklagt im Film die Gewalt von Links - obwohl er wegen eines Überfalls gemeinsam mit Ralf Wohlleben und 20 Neonazis auf zwei linke Mädchen wegen Körperverletzung verurteilt wurde. «Autos abfackeln, Schlägereien, Post klauen», all dies würden die Linken tun, so André K. im Film. «Ich verstehe nicht, wie man ihn hier so etwas sagen lassen kann», sagt deshalb Anetta Kahane von der Antonio-Amadeo-Stiftung.

Filmautor: «Ich würde es heute nicht mehr so drehen»

Der Autor des Films ist CDU-Landespolitiker Reyk Seela. Er verteidigt das Werk, das nach seiner Premiere im Jahr 2000 aufgrund vielfachen Protestes in der Versenkung verschwand und nicht an Schulen gezeigt wurde. «Es ist mir nicht vollständig gelungen, beide Seiten darzustellen», sagt Seela gegenüber news.de zum Vorwurf, die rechte Gewalt verharmlost zu haben. «Ich würde es heute nicht mehr so drehen, vor allem bei der linken Szene stärker differenzieren.»

Seela saß zur Zeit, als der Film Premiere feierte, als CDU-Abgeordneter im Landtag und war medienpolitischer Sprecher der Fraktion. «Der Film sollte eine Diskussion auslösen.» Die Junge Gemeinde Jena jedenfalls, sagt Seela heute, sei nicht linksextremistisch.

[news.de] · 09.12.2011 · 10:27 Uhr
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