Proteststurm in Israel: 300 000 Demonstranten

Tel Aviv (dpa) - Nach den größten sozialen Protesten in der Geschichte Israels setzt Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die Forderungen der Demonstranten auf die politische Tagesordnung. Am Samstagabend hatten landesweit etwa 300 000 Menschen gegen die hohen Lebenshaltungskosten demonstriert.

Am Sonntag beauftragte Netanjahu ein Expertenteam damit, die Forderungen zu prüfen und Vorschläge zur Lösung der sozialen Krise zu erarbeiten.

Die bei weitem größte Einzeldemonstration gab es wie schon an den beiden vorangegangenen Samstagen in Tel Aviv. Rund 250 000 Menschen zogen dort laut israelischen Medienberichten nach dem Ende des Schabbats durch die Innenstadt. Vom Norden bis in die Negev-Wüste im Süden gab es Demonstrationen, in Jerusalem beteiligten sich etwa 30 000 Menschen. Die Polizei schätzte vorsichtiger auf insgesamt eine Viertelmillion Teilnehmer aller Kundgebungen.

Das Expertenteam soll von dem ehemaligen Vorsitzenden des Nationalen Wirtschaftsrats, Professor Manuel Trachtenberg, geleitet werden. Mit 18 Ministern werde auch ein großer Teil der Regierung an den Debatten beteiligt sein. Das Team solle Lösungen der sozialen Krise vorschlagen, hieß es.

In Anspielung auf die erfolgreiche Protestbewegung im Nachbarland führten Demonstranten Plakate mit der Aufschrift «Marschiert wie die Ägypter» mit. «Das Volk will soziale Gerechtigkeit», skandierten die Menschen in Sprechchören.

Erstmals beteiligte sich auch der Gewerkschaftsverband Histradut an den Kundgebungen. «Dies ist ein Ereignis, das einen Wendepunkt in den Beziehungen zwischen Bürgern und Regierung darstellt», zitierte das Onlineportal «Ynet» Amram Mitzna, einen der Kandidaten für die Führung der oppositionellen Arbeitspartei.

Die Protestbewegung hatte vor mehr als drei Wochen mit einem kleinen Zeltlager im Zentrum von Tel Aviv als Ausdruck des Protests gegen die hohen Mieten begonnen. Inzwischen sind die Forderungen viel umfassender und zum Teil auch unübersichtlicher geworden. Es geht nicht mehr nur um das Wohnungsproblem, sondern um die Gesundheitsversorgung, das Bildungssystem und die Steuerlast sowie um immer neue Partikularinteressen.

«Ich bin hier, weil ich die Forderungen der jungen Generation unterstützen will», sagte der 65-jährige Ben der Deutschen Presse-Agentur dpa in Tel Aviv. Mit seiner Schwiegertochter nahm er an der Großkundgebung teil. «Diese Demonstration ist gut, weil die Gesellschaft endlich aus ihrem Schlaf erwacht ist.»

Netanjahu hatte vergangenen Mittwoch Öl ins Feuer der Proteste gekippt, als er ein Gesetz für Wohnungsbau durch das Parlament brachte, das nach Ansicht der Protestbewegung das Problem der zu großen und damit zu teuren Wohnungen eher noch verschärfen werde. Zugleich hatte er Forderungen der Protestbewegung nach kostenlosen Krippen und Kindergärten sowie nach mehr Geld für die Bildung und ein Ende der Privatisierungen abgelehnt.

«Netanjahu, hör' uns zu. Wir sind das Salz der Erde. Wir wollen Veränderungen», sagte der Vorsitzende der Studentenunion, Itzik Schmueli, vor Kundgebungsteilnehmern in Tel Aviv. «Aber wir brauchen keine Veränderung der gewählten (...) Koalition. Wir, die Jugend, verlangen eine Veränderung des grausamen ökonomischen Systems», fügte Schmueli unter tosendem Beifall hinzu.

Finanzminister Juval Steinitz äußerte am Sonntag Verständnis für die Proteste. «Dies ist ein beeindruckendes Phänomen und wir müssen ihnen (den Demonstranten) zuhören», sagte er dem israelischen Rundfunk. «Wir müssen Lösungen finden, aber wir müssen auch aufpassen, dass wir den finanziellen Rahmen nicht sprengen und unsere Errungenschaften - wie eine niedrige Arbeitslosigkeit und ein hohes Wirtschaftswachstum - nicht gefährden.»

Soziales / Israel
07.08.2011 · 14:25 Uhr
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