Papstwort zum Missbrauchsskandal erwartet

Rom/Berlin (dpa) - Papst Benedikt XVI. will bald in einem Hirtenbrief Konsequenzen aus dem sexuellen Missbrauch von Kindern in der Kirche ziehen.

In einem besonders brisanten Fall hat das Erzbistum München einen vorbelasteten Priester suspendiert, der mit Einverständnis des damaligen Erzbischofs und heutigen Papstes nach München geholt worden war. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bewertet die bisher bekanntgewordenen Stellungnahmen aus Rom als Rückendeckung für die Deutsche Bischofskonferenz bei der Aufklärung der Fälle. Die Bundesregierung will bis Ostern einen eigenen Maßnahmenkatalog zum Thema sexueller Missbrauch vorlegen.

In einem Brief an die irischen Bischöfe werde Benedikt klare Maßnahmen bekanntgeben, sagte der Chef der päpstlichen Akademie für das Leben, Erzbischof Rino Fisichella, dem Mailänder «Corriere della Sera». Kirchlicher Kindesmissbrauch ist in Irland schon seit Jahren ein Thema. Ob der Papst auch ausdrücklichen auf die Fälle in Deutschland eingehen wird, ist unklar.

Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) spricht am 15. April in Berlin mit dem Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, über den Missbrauchskandal.

Der stellvertretende Regierungssprecher Christoph Steegmans sagte am Montag in Berlin: «Die Bundeskanzlerin begrüßt, dass der Heilige Vater die Notwendigkeit einer vollständigen Aufklärung dieser abscheulichen Taten ausdrücklich unterstrichen hat.» Es sei ein gutes Zeichen, dass Zollitsch «ausdrücklich die Rückendeckung des Vatikans» habe. Die Regierung sei «in erster Linie zufrieden mit dem, was Zollitsch an Botschaften aus dem Vatikan mitgebracht hat».

Zollitsch hatte am Freitag bei einer Audienz mit dem Papst über die Missbrauchsfälle in Deutschland gesprochen. Danach drang lediglich an die Öffentlichkeit, dass der deutsche Papst sehr erschüttert sei. Beim Angelus-Gebet am Sonntag sprach das Kirchenoberhaupt den Skandal nicht an. Auch beim Abendgottesdienst in der deutschen Christuskirche in Rom äußerte er sich nicht dazu.

Wirbel um suspendierten Priester

Nach Ansicht der Reformbewegung «Wir sind Kirche» ist eine Entschuldigung Benedikts überfällig. In seiner Zeit als Münchner Erzbischof war der wegen Missbrauchs vorbelastete Priester, der jetzt suspendiert wurde, 1980 von Essen in die Erzdiözese München versetzt worden. Er wurde in einer Gemeinde in Oberbayern eingesetzt. Dort verging er sich erneut an Jugendlichen und wurde gerichtlich verurteilt. Seit 2008 arbeitet er als Kur- und Tourismusseelsorger. Dabei war ihm jede Kinder- und Jugendarbeit untersagt, aber er habe sich «nachweislich nicht an die Auflagen gehalten», teilte das Ordinariat in München mit. Daher sei er jetzt mit sofortiger Wirkung aus dem Dienst entfernt worden.

Seit der Verurteilung des Priesters im Jahr 1986 lägen keine Hinweise auf neuerlichen sexuellen Missbrauch vor, betonte das Ordinariat. Auch der Dienst- und Fachvorgesetzte des Priesters, Prälat Josef Obermaier, trat zurück. Als Leiter des Seelsorgereferates der Erzdiözese übernehme er «damit die Verantwortung für gravierende Fehler in der Wahrnehmung seiner Dienstaufsicht». Erwartet wird, dass die bayerischen Bischöfe bei ihrer am Dienstag beginnenden Frühjahrsvollversammlung in Bad Staffelstein über den Missbrauchskandal beraten.

Justizministerin fordert Aufarbeitung

Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger besteht nach den Worten eines Ministeriumssprechers auf einer «institutionalisierten Form der Aufarbeitung von Missbrauch» - in welcher Form auch immer. Das Gespräch mit Zollitsch wurde vereinbart, nachdem dieser sich bei Bundeskanzlerin Merkel über den Vorwurf der FDP-Politikerin beschwert hatte, die Kirche arbeite nicht konstruktiv mit den Strafverfolgungsbehörden zusammen.

Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) sagte der «Südwest Presse» (Dienstag): «Wir werden jetzt zu klären haben, welche Maßnahmen die Bundesregierung selbst ergreift oder veranlasst. Das betrifft die Prävention, die Verjährungsfristen, die Frage, bleibt sexueller Missbrauch Vergehen oder strafrechtlich relevanter Tatbestand.»

Merkel mahnte am Montag eine gesamtgesellschaftliche Debatte an, da es nicht nur um sexuellen Missbrauch in der katholische Kirche gehe. Der stellvertretende Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) sprach von einer schweren Glaubwürdigkeitskrise der katholischen Kirche. Thierse, der auch Mitglied des Zentralkomitees der Katholiken ist, sagte im ARD-Morgenmagazin: «Die Kirche muss mit sich ehrlicher und strenger sein; und das gilt natürlich auch für den Papst.»

Kirchenjugend: «Größte Kirchenkrise seit 1945»

Die Missbrauchsfälle haben nach Einschätzung des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) «zur größten Kirchenkrise seit 1945» geführt. Deshalb erwarteten die jungen Katholiken in Deutschland dazu ein klares Wort von Papst Benedikt XVI., sagte der BDKJ-Bundesvorsitzende Dirk Tänzler am Montag der dpa in Düsseldorf: «Außerhalb der Kirche versteht keiner, dass er sich nicht klar äußert - und ich verstehe es auch nicht.» Im BDKJ sind in 15 Verbänden rund 650 000 junge Katholiken organisiert.

Kirche plant Info-Hotline

Am 30. März will die katholische Kirche eine Info-Hotline für Opfer von sexuellem Missbrauch freischalten. Der Beauftragte zur Aufklärung der Missbrauchsfälle, der Trierer Bischof Stephan Ackermann, legte sich bei einem Besuch der «Rhein-Zeitung» in Koblenz auf dieses Datum fest. Zugleich betonte er: «Es hilft keinem, wenn jetzt jeder die Kirche mit moralischen Appellen versieht. (...) Ich kann versichern: Wir Bischöfe und die Beauftragten stellen uns der Aufklärung und betreiben sie auch selbst.»

Kirchen / Kriminalität / Vatikan
15.03.2010 · 19:21 Uhr
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