Nach Vorfreude viel Fan-Frust

Berlin (dpa) - Kalte Dusche aus dem winterlichen Südafrika: Im WM-Sommer haben die deutschen Fans am Freitag quer durch die Republik mit der Nationalmannschaft gegen Serbien gelitten.

Als nach zwei Stunden in fernen Port Elizabeth die 0:1-Niederlage besiegelt war, hatten auch Millionen Menschen in Deutschland das Ende eines Jammertals der Emotionen erreicht. Ob am Kaffeeautomaten, in Raucherzimmern oder in Kantinen - Hunderttausende Arbeitnehmer hatten eine Fußball-Pause eingelegt und kehrten danach ernüchtert an die Werkbank und den PC zurück. Über die Fanmeilen, bisher Hort der Heiterkeit, legte sich der Mehltau der Verlierer. Statt Tröten Trauer, statt Lächeln hängende Mundwinkel.

Nur langsam füllten sich am frühen Nachmittag die Straßen wieder, in Bussen und Bahnen wurden die Plätze wieder besetzt. In Büros, Behörden und Fabriken: Die Wirtschaftsnation erwachte langsam wieder aus dem organisierten Stillstand.

Auf der Berliner Fanmeile vor der Olympiastadion hatten sich mehr als 40 000 Menschen Mut gemacht. «Alles ist Schwarz-Rot-Gold», berichtete eine Sprecherin der einzigen offiziellen FIFA-Fanmeile in Deutschland zunächst euphorisch. Doch die Stimmung schlug auf der Siegerstraße schnell um. Beim Gegentor, beim Elfmeter-Fehlschuss - eine Nation stöhnte im Massen-Chor.

Auch in Hamburg durchlebten knapp 60 000 Anhänger ein Wechselbad der Gefühle. Entsetzen, Pfiffe und Buh-Rufe, als Miroslav Klose die gelb-rote Karte sah, erschrockene Stille und nach unten sinkende Deutschland-Fahnen nach dem Führungstreffer der Serben. Kurz vor der Pause dann hatten die Anhänger den Torschrei schon auf den Lippen, doch Sami Khedira traf nur die Latte.

Dagegen ließen die Serben der Begeisterung freien Lauf. In Stuttgart zogen sie nach Spielschluss durch die Fußgängerzone - und ließen dabei vor allem den deutschen Stürmer Lukas Podolski hochleben. Auch in Berlin, wo rund 35 000 Serben leben, zogen einige über den Kurfürstendamm.

Viele Arbeitgeber hatten Großbildleinwände aufgestellt, zum Beispiel beim Versicherungskonzern HDI Gerling in Köln, bei der Gothaer, beim Motorenhersteller Deutz. Adidas als Sponsor von zwölf WM-Teams legte Wert darauf, dass die Mitarbeiter zusehen, wie ihre Produkte in Südafrika benutzt werden und stellte Herzogenaurach gleich zwei Großbildleinwände für betriebliches Public Viewing auf.

Im «Ländle» Baden-Württemberg gab es Fußball-Pause beim «Schaffe- Schaffe». Unternehmen stellten Bildschirme und Leinwände auf. Bei Bosch, Roche oder EnBW wurden Großbildleinwände aufgestellt. Beim Daimler gab es zwar keine Liveübertragung, im Intranet konnten die Mitarbeiter aber den Spielstand im Live-Ticker verfolgen und an einem Tippspiel teilnehmen.

Nicht nur der Spielverlauf sondern auch das teils kühle und trübe Wetter dämpften in Bayern von Anfang an die WM-Stimmung. Nur wenige Tausend Fußball-Fans kamen zum Public Viewing im Olympiastadion - wo eigentlich 35 000 Platz gehabt hätten. Viele hüllten sich gegen den kühlen Wind in Deutschlandfahnen und versuchten, sich mit Fan- Gesängen warm zu halten. Im Gegensatz zu Berlin, wo sonniges Weltmeister-Wetter herrschte, waren es in München nur etwa 15 Grad. Plätze blieben leer, die Fans blieben lieber vor dem heimischen Fernseher im Warmen und Trockenen.

Entlang der Münchner Fan-Meile, der Leopoldstraße, zog es zahlreiche Fans in die Kneipen. Für das Spiel hatten sie sich teils extra frei genommen. Zwei junge Bankkauffrauen bauten ihre Überstunden ab und hatten sich Blütenkränze in schwarz-rot-gold auf den Kopf gesetzt.

Auf der Ferieninsel Mallorca stürmten tausende Touristen die großen Partytempel. An der Playa de Palma nutzten viele das schöne Wetter, um im warmen Mittelmeer zu baden und anschließend das Fußballspiel zu sehen. Die Riesendisco «Mega-Park» ließ nach eigenen Angaben Ex-Topmodel-Kandidatin und Doku-Soap-Darstellerin Gina-Lisa Lohfink (23) einfliegen, um die Stimmung anzuheizen. Auch beim «Bierkönig» in der Schinkenstraße ging es wieder hoch her. Überall zeigten sich die Fans, überwiegend in Nationaltrikots gekleidet und mit deutschen Fahnen ausgerüstet, in Hochform.

Sehr feinfühlig erwies sich die Stadt Aachen. Um die Stimmung nicht unnötig aufzuheizen, wurde der Speiseplan der Polizeikantine geändert. Dort war ursprünglich für Freitag «Serbische Bohnensuppe» vorgesehen. Diese wäre dann einfach weggeputzt worden. «Fein der polizeilichen Linie des Deeskalationsprinzips folgend» sei der Koch nun auf «Schnittbohnensuppe mit Würstchen und Brötchen» umgeschwenkt. «Die Antwort liegt eben auf'm Platz und nicht in der Kantine!», sagte Polizeisprecher Paul Kemen. Genauso war es auch.

Fußball / WM / Fans
19.06.2010 · 09:30 Uhr
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