Nach neuem Massaker: Syriens Opposition ruft um Hilfe

Damaskus/Istanbul (dpa) - Ein fürchterliches Blutbad in einem syrischen Dorf hat weltweit Entsetzen ausgelöst und die Diskussion über ein internationales Eingreifen angeheizt. Bis zu 250 Menschen sollen in Tremseh nahe der Stadt Hama getötet worden sein.

Der Angriff auf dieses Dorf könnte das bislang schlimmste Massaker seit Beginn des Aufstandes vor 16 Monaten sein, wenn sich Angaben der Opposition bestätigen. Einige Oppositionsgruppen erklärten, in dem Dorf seien am Donnerstag bis zu 250 Menschen getötet worden. In anderen Berichten war von rund 160 Toten die Rede.

Aktivisten berichteten, die Armee habe Tremseh erst mit Artillerie bombardiert und dann Truppen in den Ort geschickt. Die Soldaten hätten Kämpfer der Opposition erschossen und Zivilisten massakriert. Außerhalb des Dorfes seien Fliehende getötet worden. Auch Exekutionen habe es gegeben. US-Außenministerin Hillary Clinton sprach am Freitagabend von «unbestreitbaren Beweisen» für die Ermordung von Zivilisten durch das syrische Regime.

Die Angriffe auf Tremseh dauerten viele Stunden. Aktivisten sagten, die meisten Einwohner des nun zerstörten Dorfes hätten mit der Opposition sympathisiert. Nach Darstellung des Militärs in Damaskus erfolgte der Einsatz in dem Dorf «auf Anforderung der Bewohner». Im staatlichen Fernsehen hieß es, die meisten Toten seien Terroristen gewesen.

Unterdessen hat das syrische Regime einem Zeitungsbericht zufolge damit begonnen, Chemiewaffen aus den Lagern zu holen. Die US-Regierung sei alarmiert, berichtete das «Wall Street Journal» (Freitag). Unklar sei, ob die Waffen vor Aufständischen in Sicherheit gebracht oder einsatzbereit gemacht werden, womöglich auch nur als Drohgebärde, zitiert das Blatt US-Regierungsvertreter. Syrien besitze größere Mengen des Nervenkampfstoffes Sarin und Senfgas.

Zu dem Angriff auf das Dorf bei Hama sagte der Leiter der UN-Beobachtermission, General Robert Mood: «Wir können bestätigen, dass es gestern in dem Gebiet von Tremseh länger andauernde Gefechte gab.» Dabei seien unter anderem Militärhubschrauber und Geschütze eingesetzt worden. Sein Team sei bereit, vor Ort zur Aufklärung der Vorfälle in Tremseh beizutragen, «sobald es eine glaubwürdige Waffenruhe gibt».

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zeigte sich erschüttert über das Blutbad. «Der Generalsekretär ist zutiefst besorgt über die jüngsten Meldungen aus der Provinz Hama», sagte sein Sprecher Martin Nesirky der Nachrichtenagentur dpa. Der Syrien-Sondergesandte Kofi Annan erklärte in Genf, er sei «schockiert und entsetzt» über die hohe Zahl von Toten sowie «die bestätigte Anwendung schwerer Waffen».

Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton zeigte sich «tief schockiert» über die Berichte. Der Einsatz von schweren Waffen und Helikoptern sei ein «eklatanter Verstoß» des Regimes gegen die Vereinbarungen des Annan-Friedensplans. Die Bundesregierung forderte Syrien «sehr nachdrücklich» auf, den UN-Beobachtern unverzüglich Zugang zum «Ort des Verbrechens» zu gewähren, wie Regierungssprecher Steffen Seibert sagte. Am Abend erfuhr die Nachrichtenagentur dpa aus UN-Kreisen, das Regime habe die Forderung nach Zugang zum Schauplatz «total ignoriert».

Mit dem erneuten Zwischenfall wächst nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes (AA) auch der Druck auf die internationale Staatengemeinschaft. Ein Sprecher erklärte, der Friedensplan von Kofi Annan bleibe der richtige Weg zu einem Ende der Gewalt und zu einem politischen Übergangsprozess. «Wir müssen ihn mit mehr Nachdruck versehen, damit das Regime in Damaskus endlich einsieht, dass der Weg der Gewalt nicht gangbar ist. Wir hoffen, dass die jüngsten, schrecklichen Vorfälle auch bisher Zögernde zum Einlenken bringen.»

Der oppositionelle Syrische Nationalrat (SNC) appellierte an den Weltsicherheitsrat, ein Eingreifen nach Kapitel VII der UN-Charta zu beschließen, um die Zivilisten in Syrien zu schützen. Sollte eine UN-Resolution erneut am Veto Russlands scheitern, müsse die Kontaktgruppe der Freunde Syriens alleine handeln, sagte der SNC-Vorsitzende Abdelbaset Seida in Istanbul. Die arabischen Staaten rief er auf, die Deserteure der Freien Syrischen Armee «mit allem, was sie benötigen» zu unterstützen.

Trotz immer neuer Gräueltaten ist der UN-Sicherheitsrat noch weit von einer Resolution zum Syrien-Konflikt entfernt. Das mächtigste Gremium der Vereinten Nationen verhandelte zwar am Donnerstag (Ortszeit) über einen Entwurf. Nach wie vor gibt es aber Widerstand Russlands, weil das Papier die Drohung von Sanktionen enthält, wenn sich die Parteien nicht an Beschlüsse des Sicherheitsrates halten.

US-Außenministerin Clinton sagte, der UN-Sicherheitsrat müsse deutlich handeln und dem Regime mit klaren Konsequenzen drohen. «Die Geschichte wird diesen Rat beurteilten»: Dessen Mitglieder müssten «sich selbst fragen, ob sie als Vermächtnis hinterlassen wollen, dem Assad-Regime die Fortsetzung der unaussprechlichen Gewalt gegen das eigene Volk erlaubt zu haben».

In Syrien wurden nach Angaben von Aktivisten am Freitag mehr als 60 Menschen von den Regierungstruppen getötet. Alleine in dem Palästinenserlager Jarmuk in Damaskus seien zehn Menschen getötet worden. Aktivisten meldeten auch am Abend noch Gefechte aus mehreren Provinzen.

Konflikte / Syrien
13.07.2012 · 22:01 Uhr
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