Münchner Gerichtsprozess zum Lkw-Kartell nimmt neue Wendung
In einem Aufsehen erregenden Schadenersatzprozess gegen ein bedeutendes europäisches Lkw-Kartell hat das Oberlandesgericht München eine signifikante Wende herbeigeführt. Ein zuvor vom Landgericht München gefasstes Urteil wurde aufgehoben und der Fall zur erneuten Verhandlung an die vorherige Instanz verwiesen. Dieser Prozess rückt damit wieder in den Fokus, da er weitreichende Folgen aufgrund der beträchtlichen geforderten Schadenersatzsumme haben könnte.
Der Prozess umfasst die Klage einer Sammelklägerin, Financialright Claims, welche die Forderungen von etwa 70.000 Lkw-Käufern, die angeblich von den illegalen Preisabsprachen betroffen sind, gebündelt hat. Diese Forderungen belaufen sich auf einen Gesamtschadenersatz von 560 Millionen Euro zuzüglich Zinsen gegen das Kartell, das aus den Unternehmen DAF, Daimler, Iveco, Scania und Volvo/Renault besteht. Obwohl gegen diese Konzerne von der EU-Kommission bereits Bußgelder von nahezu vier Milliarden Euro aufgrund von Preisabsprachen verhängt wurden, stritt MAN eine Beteiligung ab und entging als Kronzeuge einer Strafe.
Das Landgericht hatte die Klage ursprünglich teilweise als unzulässig und unbegründet zurückgewiesen, daraufhin brachte die Klägerin ihren Fall vor das OLG. Das Oberlandesgericht thematisierte insbesondere die Frage der Anspruchsberechtigung der klagenden Inkasso- und Rechtsdienstleisterin, die durch ihre Rolle und das Rechtsdienstleistungsgesetz legitimiert sei und die Abtretungen der Forderungen als rechtskräftig anerkannte. Darüber hinaus wurde der von den Lkw-Herstellern eingebrachte Einwand eines rechtsmissbräuchlichen Umfangs der Klage zurückgewiesen.
Die Schwierigkeit des Verfahrens wird durch die Vielfalt der betroffenen Lkw-Modelle, die unterschiedlichen Kundenkreise aus ganz Europa und den Einbezug ausländischen Rechts zusätzlich kompliziert. Trotzdem entschied das OLG, dass dem Kläger das Risiko einer Fehleinschätzung der rechtlich anspruchsvollen Lage nicht aufgebürdet werden solle.
Die Möglichkeit der Revision zum Bundesgerichtshof bleibt offen, während Daimler Truck bereits erwägt, Rechtsmittel einzulegen. Der Konzern merkt an, dass keine Feststellung eines tatsächlich entstandenen Schadens vorliege und man sich weiterhin gegen die Ansprüche verteidigen werde.
Die EU-Kommission hatte 2016 ermittelt, dass die Preis- und Technologieabsprachen der Hersteller einen Verstoß gegen das Kartellrecht darstellten; ob dadurch den Lkw-Käufern ein Schaden entstand, bleibt jedoch bisher nicht festgestellt. Die Hersteller bestreiten dies weiterhin. (eulerpool-AFX)