Motor zwischen Wärme und Vakuum: Stirlingmotor nutzt die Temperaturlücke zwischen Erde und All
Nachts geraten viele etablierte Formen der Energiegewinnung ins Hintertreffen, weil Sonnenlicht fehlt und Windverhältnisse schwanken. Gleichzeitig entsteht jedoch ein natürliches Temperaturgefälle, das bisher kaum technisch genutzt wurde. Während die Erdoberfläche gespeicherte Wärme abstrahlt, verharrt der Weltraum als nahezu idealer Kältespeicher. Dieses Gefälle existiert permanent und bildet die Grundlage für ein neues technisches Konzept, das erstmals in praktischen Versuchen erprobt wurde. Ein Team rund um Jeremy Munday von der University of California, Davis haben ein System vorgestellt, das genau diese Differenz zwischen Bodenwärme und kosmischer Kälte anzapft.

Ein Stirlingmotor als Brücke zwischen Wärme und Kälte
Im Zentrum der aktuellen Forschung steht ein modifizierter Stirlingmotor. Diese Maschinen, deren Grundlagen im 19. Jahrhundert entwickelt wurden, arbeiten traditionell mit einem Temperaturunterschied zwischen einer warmen und einer kalten Seite. Für das neue Konzept wurde dieses Prinzip in ein ungewöhnliches Umfeld übertragen. Die warme Seite des Motors bleibt dabei mit dem Untergrund verbunden, der auch in der Nacht ein gewisses Wärmeniveau hält. Die kalte Seite richtet sich hingegen nicht an ein technisches Kühlsystem, sondern direkt an den Himmel. Über eine speziell beschichtete Oberfläche kann Wärme abströmen, sodass sich die obere Seite stark abkühlt und ein Temperaturgefälle entsteht, das den Motor antreibt.
Die Versuchsanordnung bestand aus einer Wärmeableitplatte mit hoher Infrarot-Emissivität, die in klaren Nächten direkt in Richtung Himmel zeigte. Darunter war der Stirlingmotor befestigt, der über eine thermische Kopplung mit dem Boden verbunden wurde. Unter trockenen und wolkenfreien Bedingungen ergab sich daraus ein Temperaturunterschied von etwa zehn Grad Celsius. Dieser Wert mag auf den ersten Blick gering erscheinen, reicht jedoch aus, um mechanische Leistung zu erzeugen. In den bisherigen Tests lag die Leistungsdichte mindestens bei rund vierhundert Milliwatt pro Quadratmeter Fläche. Das System konnte damit einen kleinen Lüfter betreiben und über einen Generator sogar elektrische Energie erzeugen.
Nutzbare Energie in der Nacht
Das Konzept weckt besonderes Interesse, weil es eine bisher kaum erschlossene Energiequelle nutzbar macht. Besonders Regionen mit vielen klaren Nächten, geringer Luftfeuchtigkeit und hohen Strahlungsverlusten könnten davon profitieren. Der Ansatz eignet sich vor allem dort, wo nächtlicher Energiebedarf besteht und herkömmliche Technologien an ihre Grenzen stoßen. Gewächshäuser, Gebäude mit nächtiger Belüftung oder abgelegene Standorte ohne verlässliche Stromversorgung gehören zu den denkbaren Anwendungsfeldern. Die Forscher:innen betonen, dass die Technik nicht als Ersatz großer Energiesysteme gedacht ist, sondern als ergänzende Option im Zusammenspiel mit bestehenden erneuerbaren Quellen.
Gleichzeitig bleibt die bisherige Leistung überschaubar. Die erzeugte Energie reicht noch nicht für größere technische Anwendungen und hängt stark von den Umgebungsbedingungen ab. Hohe Luftfeuchtigkeit, Wolken oder dichtes Laub mindern den Effekt der Strahlungsabkühlung deutlich. Auch die Materialwahl spielt eine entscheidende Rolle, denn nur mit besonders geeigneten Beschichtungen lassen sich die nötigen Temperaturdifferenzen zuverlässig erzeugen. Die bisherigen Ergebnisse stellen daher eher einen Machbarkeitsnachweis dar als ein marktreifes System.
Ziele für die Zukunft: Effizienzsteigerung und Kombination mit bestehenden Technologien
Für die Zukunft stehen verschiedene Entwicklungen im Raum. Entscheidend wird sein, die Effizienz zu steigern und die Materialien weiter zu optimieren. Es existieren Hinweise aus theoretischen Arbeiten, dass mit verbesserten Strahlungskühlern und alternativen Wärmekoppelungen deutlich höhere Leistungsdichten erreichbar wären. Denkbar sind zudem größere Modulfelder, die gemeinsam genug Energie erzeugen könnten, um in isolierten Anwendungen eine verlässliche Versorgung sicherzustellen.
Interessant ist außerdem die Kombination mit bestehenden Gebäudetechnologien. Die Abwärme eines Hauses könnte als warme Seite dienen, während das Dach die Rolle der strahlungskühlenden Oberfläche übernimmt. So ließen sich Tag- und Nachtbetrieb potenziell kombinieren und Effizienzgewinne erzielen. Auch wirtschaftliche Faktoren wie Materialkosten, Installationsaufwand und Wartungsbedarf sind Themen, die künftige Forschung klären muss.
Trotz aller offenen Punkte zeigt die aktuelle Entwicklung, dass nächtliche Strahlungsabkühlung mehr als ein physikalisches Randphänomen sein kann. Die Versuche belegen, dass sich selbst geringe Temperaturunterschiede technisch nutzen lassen, wenn die richtige Kombination aus Materialien und Maschinen zum Einsatz kommt. Damit eröffnet sich ein neues Feld der Energiegewinnung, das unabhängig von Tageslicht funktioniert und in bestimmten Regionen ein wertvoller Baustein künftiger Energiesysteme werden könnte.

