Mehr als 200 000 Tote in Haiti

Port-au-Prince (dpa) - Mehr als 200 000 Menschen sind nach jüngsten Schätzungen von Haitis Regierung bei dem verheerenden Erdbeben vor dreieinhalb Wochen ums Leben gekommen. 300 000 Menschen seien verletzt worden, teilte Premierminister Jean-Max Bellerive mit.

Der ehemalige US-Präsident Bill Clinton erklärte sich unterdessen bereit, im Auftrag der Vereinten Nationen alle Hilfen für Haiti zu koordinieren. Die UN wollen nun vor allem den Arbeitsmarkt in dem zerstörten Land beleben. Immer mehr Haitianer äußern derweil ihren Unmut über die Regierung. Die Organisation Reporter ohne Grenzen warf der US-Armee in Haiti vor, unerwünschte Bilder zu zensieren.

In der neuen Zahl von 200 000 seien noch nicht die Toten enthalten, die noch immer unter den Trümmern liegen, oder diejenigen, die von ihren Verwandten bestattet worden seien, sagte Bellerive am Mittwochabend (Ortszeit). Die Regierung geht nun von 250 000 zerstörten Häusern und mehr als einer Million Obdachlosen aus. Zudem seien etwa 4000 Menschen Arme oder Beine amputiert worden. Hilfsorganisationen hatten die Zahl der Amputierten zuvor bereits auf 6000 geschätzt. Die tatsächliche Zahl der Toten und der Verletzten wird sich nach Meinung von Experten nie endgültig ermitteln lassen.

Unterdessen mehren sich Proteste von Erdbebenopfern, die bei der Verteilung von Hilfsgütern noch nicht berücksichtigt wurden. Oppositionelle Politiker hatten bereits am Dienstag die Bildung einer Notstandsregierung gefordert. Demonstranten warfen der Regierung vor, nichts zur Linderung ihrer Not unternommen zu haben. Im Stadtteil Petionville protestierten am Mittwoch etwa 300 Menschen vor dem Rathaus und beschuldigten die Bürgermeisterin, Lebensmittelgutscheine ausländischer Hilfsorganisationen verkauft zu haben, statt sie gratis abzugeben.

Ex-Präsident Bill Clinton «wird die Soforthilfe und den langfristigen Wiederaufbauprozess strategisch führen», sagte UN- Generalsekretär Ban Ki Moon am Mittwochabend in New York. Clinton war schon vor dem verheerenden Erdbeben als UN-Sondergesandter für Haiti tätig. In diplomatischen Kreisen in New York hieß es, er sei der ideale Mann für den Posten, weil er sowohl die Erfahrung aus den Jahren im Weißen Haus als auch das Ansehen als etablierter UN- Repräsentant mitbringe. Das Erdbeben der Stärke 7,0 hatte am 12. Januar Port-au-Prince und Gebiete westlich der Hauptstadt zerstört.

Da die Regen-Saison in der Region bald einsetze, seien Notunterkünfte jetzt das Wichtigste, sagte Ban. UN-Angaben zufolge haben bisher 10 000 Familien Zelte und weitere 15 000 große Planen erhalten. 15 000 Zelte lägen bereit zum Verteilen und 40 000 seien auf dem Weg. Ex-Präsident Clinton soll schon am Freitag nach Haiti fliegen, um mit seiner neuen Aufgabe zu beginnen.

Jordan Ryan vom UN-Entwicklungsprogramms UNDP sagte am Donnerstag in New York: «Wir müssen den Menschen Jobs anbieten. Nicht nur, weil viel Arbeit zu tun ist, sondern auch um wieder normale Strukturen zu schaffen.» Nach Ryans Worten läuft das UN-Programm «Cash for Work» («Bares gegen Arbeit») in Haiti gut an. «Die Leute räumen Straßen, bauen die Wasserversorgung wieder auf und errichten Unterkünfte.» Die Arbeiter bekommen für sechs Stunden Arbeit etwa fünf Dollar (etwa 3,60 Euro) am Tag ausgezahlt, zum Teil in Nahrungsmitteln. Von den für das Projekt angeforderten 33,6 Millionen Dollar (etwa 24,3 Millionen Euro) sind laut UNDP erst zehn Millionen da.

Ein Experte der Vereinten Nationen verlangte einen umfassenden Schuldenerlass für Haiti. Das Karibikland habe derzeit etwa 890 Millionen Dollar (646 Millionen Euro) Schulden, davon einen großen Teil bei multilateralen Gebern wie der Weltbank, sagte Cephay Lumina. Er begrüßte, dass der Pariser Club, eine Gruppe von Geberländern, Haiti 214 Millionen Dollar entlassen will. Dies sei jedoch nicht ausreichend.

Die Organisation Reporter ohne Grenzen warf derweil der US-Armee Zensur vor. US-Soldaten hätten die Kamera eines Reporters konfisziert und mehrere Bilder von einer anti-amerikanischen Demonstration gelöscht. Ein französischer Fotograf in Port-au-Prince sagte, er habe beobachtet, wie US-Soldaten einen haitianischen Demonstranten bei einer Lebensmittelverteilung zusammengeschlagen hätten. Haitis Bevölkerung hat eine zwiespältige Haltung zur Hilfe aus den USA: Einerseits erhoffen sie Schutz, andererseits fürchten viele, wie bereits früher, unter zu großen US-Einfluss zu geraten.

Erdbeben / Haiti
05.02.2010 · 06:59 Uhr
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