Londoner Anwalt wird Karadzic-Pflichtverteidiger
Nach der Entscheidung für den mit internationalen Strafsachen vertrauten britischen Juristen am Donnerstagabend bekräftigte Karadzic seine Ablehnung eines Pflichtanwalts. Er sei nicht bereit, mit Harvey zu kooperieren, ließ der Angeklagte über einen Sprecher mitteilen.
Der ehemalige Führer der bosnischen Serben ist in elf Punkten wegen Völkermordes, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen angeklagt. Er soll persönlich für die Vertreibung und Ermordung zehntausender Muslime und Kroaten während des Bosnienkrieges von 1992 bis 1995 verantwortlich sein. Insgesamt fielen dem Krieg etwa 100 000 Menschen zum Opfer.
Zur Ernennung eines Pflichtverteidigers entschloss sich das UN-Tribunal nachdem der Angeklagte im Oktober die Eröffnung seines Prozesses boykottierte. Das Verfahren war daraufhin unterbrochen worden. Da Karadzic erlaubt worden war, als sein eigener Anwalt aufzutreten, konnte das Verfahren nach der Verlesung der Anklage nicht ohne ihn fortgesetzt werden. Der nun benannte Verteidiger soll Karadzic zumindest immer dann vor Gericht vertreten, wenn dieser sich wieder weigert zu erscheinen.
Der Prozess kann frühestens am 1. März fortgesetzt werden. Bis dahin hat Harvey Zeit, sich in die Anklage einzuarbeiten, die einschließlich der Beweisdokumente mehr als eine Million Seiten umfasst. Der Anwalt, dessen berufliche Laufbahn 1971 begann, war bereits früher an Prozessen vor dem Jugoslawien-Tribunal beteiligt, darunter gegen zwei Kosovo-Albaner, denen Kriegsverbrechen zur Last gelegt wurden. Er vertrat unter anderem die Familie eines in Nordirland von der britischen Armee getöteten katholischen Aktivisten und war als Rechtsberater für die Organisationen Greenpeace und Amnesty International tätig.