Krise in Hannover: Politiker streiten über Twestens Motive

Hannover (dpa) - Nach dem Verlust der rot-grünen Regierungsmehrheit in Niedersachsen haben führende SPD-Politiker Aufklärung über die Hintergründe des Seitenwechsels der Abgeordneten Elke Twesten gefordert. Sie vermuten, die CDU habe ihr Lockangebote gemacht.

Der niedersächsische CDU-Vorsitzende Bernd Althusmann und Twesten selbst wiesen diese Vorwürfe kategorisch zurück. Mehrere Politiker von CDU und CSU forderten den niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD) zum sofortigen Rücktritt auf.

Twesten hatte am Freitag ihren Wechsel von den Grünen zur CDU angekündigt und damit eine Regierungskrise ausgelöst. Weils rot-grünes Bündnis verlor seine Ein-Stimmen-Mehrheit, mit der es seit 2013 regiert hatte. Die 54-Jährige begründete ihren Wechsel damit, dass die Grünen sie nicht für die Landtagswahl 2018 in ihrem Wahlkreis in Rotenburg (Wümme) nominiert haben. Sie erklärte, es gebe auch noch andere Parlamente für eine Bewerbung - etwa den Bundestag oder das Europaparlament.

In diesem Satz sehen die Sozialdemokraten Anhaltspunkte für ihren Verdacht. «Es passt nicht zusammen, dass die CDU behauptet keine Zusagen gegeben zu haben, Elke Twesten nach ihren Gesprächen aber offensichtlich ganz konkret mit einem Mandat in einem Parlament rechnet», sagte der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Bundestag, Thomas Oppermann. Die CDU müsse diesen Widerspruch schnell aufklären und den konkreten Verlauf der Gespräche und Absprachen öffentlich machen. «Der ganze Vorgang verstößt gegen den politischen Anstand und ist ein beispielloser Verfall der politischen Moral.»

SPD-Generalsekretär Hubertus Heil sagte dazu dem Radiosender NDR Info: «Ich weiß nicht, was ich Herrn Althusmann glauben kann. Ich weiß nur, dass die Abgeordnete selbst erklärt hat, dass sie auf Mandate hoffe, auch bei der CDU später mal für das Europäische Parlament oder den Bundestag.» Das müsse aufgeklärt werden.

Twesten sagte dem Deutschlandfunk, es habe in den vergangenen zwei Wochen konkrete Gespräche mit dem niedersächsischen CDU-Fraktionschef Björn Thümler und dem CDU-Landesvorstand gegeben. Die Initiative sei von beiden Seiten ausgegangen. «Wir haben uns aufeinander zubewegt.» Kategorisch wies sie den Vorwürf zurück, hinter ihrem Wechsel könnten Lockangebote stehen. «Vonseiten der CDU gab es keine Versprechungen oder - wenn man jetzt einen Blick in die soziale Netzwelt legt - sogar Ablösesummen, von denen da groteskerweise die Rede ist.»

Der niedersächsische CDU-Chef Althusmann warf SPD und Grünen in der Debatte Verleumdung vor. «Jegliche Legendenbildung, wir hätten die Abgeordnete Twesten zum Übertritt bewegt, sind definitiv falsch und verleumderisch», sagte er der «Welt am Sonntag». «Es gibt keinerlei Versprechungen.» Twesten habe Respekt für ihre nicht einfache Entscheidung verdient. Jede Attacke auf eine Gewissensentscheidung halte er für verfehlt.

Gleichzeitig machte Althusmann Druck auf die SPD, das Landesparlament aufzulösen. «Die Auflösung des Landtages muss jetzt kommen, sonst erzwingen wir dies.» Er plädierte für eine schnelle Neuwahl im September. «Die optimale Lösung wäre eine Landtagswahl zur Bundestagswahl.» Für einen möglichen Machtwechsel habe er schon eine Kabinettsmannschaft aufgestellt. «Ein Team steht im Hintergrund.»

Auch weitere Unionspolitiker forderten Weil zum Rücktritt auf. «Weil hat es verbockt und muss zurücktreten. Punkt», sagte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer der «Welt am Sonntag». Eine «rot-grüne Sesselkleberei» dürfe es nicht geben. Der Vorsitzende der Fraktionsvorsitzendenkonferenz von CDU und CSU, Mike Mohring, befürwortete vorgezogene Neuwahlen. «Ministerpräsident Weil hätte zurücktreten müssen. Neuwahlen mit der Bundestagswahl sind deshalb, wenn verfassungsrechtlich möglich, eine folgerichtige Lösung», sagte Mohring der Zeitung.

Weil hatte einen Rücktritt am Freitag ausgeschlossen. Wenn die CDU-Fraktion die ehemalige Grünen-Abgeordnete aufgenommen haben wird, haben CDU und FDP zusammen 69 Sitze im Landtag, SPD und Grüne 68 Sitze. Bislang war das Verhältnis umgekehrt. Damit könnten vorgezogene Neuwahlen bevorstehen - debattiert wird aber auch über ein konstruktives Misstrauensvotum. Weil hat für Montag Vertreter aller vier Landtagsfraktionen zu Gesprächen über das weitere Vorgehen eingeladen. Eigentlich sollte in dem nördlichen Bundesland erst am 14. Januar 2018 ein neuer Landtag gewählt werden. Nun könnte eventuell parallel zur Bundestagswahl am 24. September abgestimmt werden.

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Regierung / Landtag / Niedersachsen
05.08.2017 · 16:39 Uhr
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