[Kolumne] Gamer sind scheiße! Wait... WHAT!?
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Gamer! Diese gemeingefährliche Spezies für soziale Reallife-Kontakte. Der Ursprung aller Gewalttaten und der Grund für ungebildete Folgegenerationen. Sie sind überall; breiten sich auf YouTube-Kanälen aus und sammeln Heerscharen von Menschen um sich, manipulieren sie und züchten sie für ihre Zwecke heran. Sie überfluten das Internet mit sogenannten Foren und bilden gefährliche Communities. Ja, ich bin schon ein durch und durch übler Mensch. Wir Gamer sind sogar so schlimm, dass wir offensichtlich Beziehungsunfähig sind. Mit einer Ausnahme (natürlich):
„Beziehungsstatus: Es ist kompliziert“ war gestern. Wagen wir einen Schritt in Richtung virtuelle Realität. Gaming heißt mein Beziehungspartner und der Status lautet: digital. Mein Leben lässt sich offenkundig in zwei Hälften unterteilen: Arbeit und Leben. Teil eins spricht für sich und umfasst all das, was ein jeder kennt. Kompromisslos darf man auch nichts anderes mit diesem Thema verschmelzen lassen. Arbeit ist immer ein Bestandteil für sich. Mein Hobby: Gaming. Zeitaufwand: Puh… Kein Platz für andere Dinge. Um dem Abhilfe zu schaffen, lasse ich einfach Hobby und Beziehung miteinander verschmelzen. Fazit: Ich gehe einfach eine Liaison mit meinem Hobby ein. Zack, die Lösung des Problems.

Gaming also. Meine Beziehung ist weder kompliziert, noch offen. Sie ist schlichtweg digital und beruht auf gegenseitigem Respekt. Ein Geben und Nehmen auf Level 9000+. Ich kann weder betrügen (was mir fern liegt) noch betrogen werden – allein diese Tatsache, macht das ganze Unterfangen unglaublich entspannt. Bricht ein Streit aus, schreie ich den Bildschirm an und werfe den Controller in den Kissenhaufen auf der Couch. Gewinne ich, geht’s direkt weiter; ich fühle mich besser. Erleide ich eine Niederlage, verliere ich ein Leben – rein virtuell. Win-win also. Ausgleichende Gerechtigkeit. Meine Beziehung ist voller Abenteuer, Humor, Fantasie, manchmal ein wenig gruselig und leider auch etwas brutal. Aber was wäre das alles ohne Emotionen und Romantik, die mein Herz mit Liebe und Freude füllen. Auch meinen Fetisch kann ich ungehindert ausleben: Meine Leidenschaft für Rollenspiele. Mir mangelt es einfach an nichts. Wir trinken gemeinsam ein Bier, genießen das gute Essen, verbringen Tage, ja sogar schlaflose Nächte miteinander. So viel Abwechslung habe ich noch nie genießen können. Wir können über alles reden. Meine Entscheidungen haben Konsequenzen, bleiben nie ungeachtet. Ich bin auch ein guter Zuhörer – und das muss ich auch ab und zu sein. Ich sehe Welten, von denen andere nur träumen und ich lerne die unterschiedlichsten Menschen und Kulturen kennen. Gute und Schlechte. Gut, ich habe etwas zugenommen. Aber passiert das nicht in jeder Beziehung? War bei mir zumindest immer so. Wenn ich mich wohl fühle, kleben mir direkt ein paar Kilos mehr auf den Hüften. Naja, was soll’s. Dafür bin ich glücklich. Und wenn ich mich so umhöre, sagt ein jeder, das sei die Hauptsache – sehe ich ähnlich. Läuft bei mir.

Das Thema… „Bewegung“ ist tatsächlich etwas schwierig. Die meiste Zeit verbringen wir gemeinsam in unseren vier Wänden, auf der Couch, dem Stuhl, Sessel, eher selten im Bett und noch seltener an der frischen Luft. Aber was wäre eine Beziehung ohne Kompromisse. Und auch die bleiben bei uns nicht auf der Strecke. Handhelds: Händchenhalten in der Öffentlichkeit ist auch bei uns ein Thema, frische Luft somit nicht länger ausgeschlossen. Also verlagern wir unser Beziehungsdasein auch ab und zu nach draußen und sorgen so für etwas gesunde Abwechslung. Lebe ich aber dann auf der anderen Seite ungesund? Oder besser gefragt: Lebe ich denn wirklich ungesünder als andere? Als die Menschen, die 16 Stunden am Tag nur ihren Schreibtischstuhl wärmen? Die Menschen, die den Großteil des Tages damit verbringen qualitativ hochwertige Serien auf privaten Sendern zu verfolgen? Als die Menschen, die nichts anderes als Fastfood zu sich nehmen und dessen beste Gesellschaft der Alkohol ist? Ich bin mir da, ehrlich gesagt, gar nicht so sicher.

Natürlich wollt ihr wissen, wie so ein typischer Tagesablauf bei uns aussieht und womit wir uns am liebsten beschäftigen. Also, wenn ich nicht gerade am button-smashen bin, um zu farmen oder Kisten zu looten, damit ich nützliche Items craften kann, um meine Skills zu verbessern und ein lvlup durch EP zu bekommen, chatte ich gerne. Die meisten NPCs sind nicht sonderlich gesprächig, es sei denn sie spielen ingame eine Rolle und sind Bestandteil einer wichtigen Quest. Ich joine also einem PvP-Channel und adde einen mir bekannten Char, um einen Group-Chat via TS zu hosten. Cheater und Camper werden von vorn herein geblockt; sind äußerst nervig. Wer ein Pro ist, greift nicht zu unfairen und unnötigen Mitteln. Headshots sind ein perfektioniertes Talent (manchmal auch ein Lucky-Shot) und werden anerkannt, wenn sie lupenrein und durch einen nice Job durchgeführt werden. Ich checke noch kurz HP und/oder MP und ob ich ein Medikit brauche bevor ich die Waffe mit der höchsten DPS-Stufe ausrüste. Noch ein Buff um meinen Char zu boosten und dann gehts ans flamen – der absolute overkill. Ich bin mehr so der Lucker ingame; pulle Aggro und hoffe auf einen Mage der HP springen lässt. Ist der cooldown vom Mage zu lang, hab ich zumeist ein Problem. Tod. Respawn. Brauche ich eine Pause, melde ich mich afk oder mit brb. Das macht man schließlich so. Man lehrte mich ja Manieren. Nach meinem re werde ich herzlich mit einem wb begrüßt und es geht ans Raiden oder in den Coop. So in etwa. Je nachdem, ob ich mich einem MMORPG oder zum Beispiel einem Action-Adventure oder Survival-Game widme – jedes hat seinen ganz eigenen Charme. Wie bereits erwähnt, bevorzuge ich da die RPGs.

So sieht mein Leben aus, so und nicht anders. Keine Partnerschaft, keine realen Freunde, ich glaube, ich habe nicht einmal Familie. Die Welt ist eine Scheibe und die Menschheit wird unterwandert von Beschwörungstheorien – oder waren es VERschwörungstheorien? Ach, was kümmert es mich? Ich habe mein Fenster zur Welt in Form von High-End Bauteilen und Geräten. In meinen vier Wänden bin ich sicher. Und wenn ich meinen höhlenartigen Wohnraum verlasse, dann nur um die Gesellschaft mit meiner bloßen Anwesenheit zu provozieren. Schließlich vertrage ich eh kein Tageslicht. Die Rollos sind 24/7 geschlossen und mein Hauptnahrungsmittel ist Cola und Pizza – das kann man sich, Gott sei Dank, liefern lassen. Ja so sind Gamer. Alle sind so. Keine Grauzone. Und deshalb noch einmal eine gnadenlose Gegenüberstellung der allgegenwärtigen gesellschaftlichen Meinung zu Gamern und der herrschenden Tatsachen:
| Das Vorurteil | Der Konter |
|---|---|
| “Gamer sind arbeitslose Schmarotzer” | Hartz IV Regelsatz (2015) = 399,- € Davon soll ein Gamer Wohnen, Nahrung, Kleidung und sog. Luxusgüter bezahlen können (eh klar). Ein handelsübliches Konsolenspiel kostet 69,99 € (wenn’s gut läuft 54,99 €). Ein PC Spiel liegt bei 49,99 € (wenn’s auch hier gut läuft 45,99 €). Eine Konsole (abhängig von Neuerscheinung und Angeboten) liegt im Schnitt zwischen 250-350 € Ein gamingfähiger PC ist ab ca. 599,- € erhältlich (und das ist schon eine gewagte Kalkulation) EXKLUSIVE Equipment → Konsole und PC sind üblicherweise für einen längeren Zeitraum als Einmalzahlung zu verbuchen. Games hingegen werden, realistisch betrachtet, bis zu 10 Stück pro Jahr erworben (es geht deutlich höher - wir sprechen vom Ottonormalverbraucher) Wie soll sich das ein “arbeitsloser Schmarotzer” leisten? |
| “Gamer sind doch alle dumm” | Statistiken zufolge nehmen viele Menschen, die regelmäßig Computerspiele spielen Tätigkeiten auf, die in der IT-Branche, in kreativen Bereichen, auf wissenschaftlicher Ebene oder auch in der Informatik angesiedelt sind. Dies liegt am gesteigerten Reaktionsvermögen und an der Fähigkeit zur Bewältigung komplexer Aufgabenstellungen nud Gedankengänge (ja, Gedanken. Das kommt von “denken”), sowie an organisiertem und strategischem Vorgehen. Googelt doch mal: “Studie Gamer Beruf” und schaut euch allein die erste Ergebnisseite an, hm? |
| “Gamer sind aggressiv” | FRESSE! Oder ich puste dir das Hirn raus, du Penner! Stimmt! Vorzugsweise gegenüber Controllern und TV Geräten. Sofakissen sind auch ein beliebtes Ventil. |
| “Gamer sind alle fett und hässlich” | Genau! Ebenso, wie dieser Vorwurf von Intelligenz zeugt. |
| “Gamer sind beziehungsunfähig” | Siehe oben Vielleicht hilft der Artikel nochmal. |
P.S.:
Du hast ernsthaft gegoogelt!?

