Karlsruhe: Komplexes Wahlrecht braucht Zeit
Bei einer Nachwahl zur Bundestagswahl 2005 in Dresden errang die CDU einen zusätzlichen Sitz, weil sie unter gut 41 000 Zweitstimmen blieb. Allerdings gaben die Karlsruher Richter dem Gesetzgeber für eine Neuregelung bis zum 30. Juni 2011 Zeit, so dass im September noch auf der Grundlage des eigentlich verfassungswidrigen Rechts gewählt wird. Die Deutsche Presse-Agentur dpa dokumentiert die Gründe für diese großzügige Frist aus dem Urteil vom 3. Juli 2008 (Az: 2 BvC 1/07 und 7/07):
«Bei der Bestimmung der Frist, die dem Gesetzgeber zur Behebung des verfassungswidrigen Zustandes einzuräumen ist, ist einerseits zu bedenken, dass ein neuer Bundestag möglichst auf verfassungsrechtlich einwandfreier Grundlage gewählt wird. Andererseits fordert der dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen zustehende Gestaltungsspielraum ausreichend Zeit, um die verschiedenen Regelungsalternativen und deren Auswirkungen auf das Wahlrecht angemessen zu berücksichtigen und zu gewichten. (...)
Im Hinblick auf die hohe Komplexität des Regelungsauftrags und unter Berücksichtigung der gesetzlichen Fristen zur Vorbereitung einer Bundestagswahl (...) erscheint es danach unangemessen, dem Gesetzgeber aufzugeben, das Wahlrecht rechtzeitig vor Ablauf der gegenwärtigen Wahlperiode zu ändern. Das reguläre Gesetzgebungsverfahren müsste in diesem Fall spätestens im April 2009 abgeschlossen sein (...). Ein derart kurzer Zeitraum birgt die Gefahr, dass die Alternativen nicht in der notwendigen Weise bedacht und erörtert werden können. Dem Gesetzgeber wäre damit auch die Möglichkeit genommen, das für den Wähler kaum noch nachzuvollziehende Regelungsgeflecht der Berechnung der Sitzzuteilung im Deutschen Bundestag auf eine neue, normenklare und verständliche Grundlage zu stellen.»