Krieg in der Ukraine

Hoffen auf humanitären Korridor: Und was kommt danach?

06. März 2022, 18:29 Uhr · Quelle: dpa
Russland und die Ukraine einigen sich auf eine Feuerpause für einen humanitären Korridor für Hilfsgüter. Zivilisten dürfen flüchten. Manche sind skeptisch, aber es gibt auch Hoffnung.

Kiew (dpa) - Die Hoffnungen waren groß, das Ergebnis mager: Russland und die Ukraine hatten vereinbart, einen humanitären Korridor in der Region um die südukrainische Hafenstadt Stadt Mariupol einzurichten.

Dort sollten die Waffen zumindest zeitweise schweigen, um Zivilisten einen Weg aus der umkämpften Stadt zu eröffnen. Doch sowohl am Samstag als auch am Sonntag warfen sich beide Seiten gegenseitig eine Verletzung der Feuerpause vor. Die Evakuierungen wurden deshalb zunächst ausgesetzt. Das russische Militär setzte nach eigenen Angaben seine Angriffe fort. Die Entwicklung dürfte jene bestätigen, die humanitäre Korridore ohnehin skeptisch sehen. Denn das Nachspiel könnte verheerend sein, wie ein Blick in die Vergangenheit zeigt.

Wie ist die Lage in Mariupol?

Hunderttausende harren dort in Angst aus. «Die Menschen leben in Terror in Mariupol», teilte das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) mit. Sie sehnten sich nach Sicherheit. «Die Menschen brauchen dringend Wasser, Nahrung und Unterkunft», so das ICRC. Es fehle an den grundlegenden Dingen des Lebens. Auch die Helfer brauchen nach eigenen Angaben Sicherheitsgarantien, um den Menschen Hilfe zu bringen.

Aber die russische und die ukrainische Seite geben sich gegenseitig die Schuld am Scheitern nicht nur der Feuerpause, sondern auch daran, dass der humanitäre Korridor nicht funktioniert. Das Rote Kreuz vermied eine klare Schuldzuweisung, teilte aber mit, in der Vereinbarung zum humanitären Korridor fehle es an Details.

Nach Angaben der prorussischen Separatisten gelang es, einige Hunderte Menschen über die geplante Route in Sicherheit zu bringen. Die ukrainischen Behörden warfen aber der russischen Seite vor, die Evakuierung der Stadt behindert zu haben. Unabhängig überprüfen lassen sich die Angaben von keiner Seite in dem Krieg.

Auf Bildern aus der Stadt sind schwere Zerstörungen von Gebäuden zu sehen. Nötig sind nach Angaben des Roten Kreuzes klare Festlegungen für den humanitären Korridor - zu Uhrzeiten, Treffpunkten und Routen. Vereinbart werden müsse auch, wer konkret in Sicherheit gebracht werden solle. Das Rote Kreuz habe nur kurze Zeit helfen können, bevor die Gewalt wieder aufflammte, hieß es. Die Helfer seien aber auch bereit für neue Versuche.

Was erwarten die Konfliktparteien?

Die ukrainischen Behörden rechnen damit, dass mehr als 200.000 Menschen Mariupol in der Region Donezk während der Waffenruhe verlassen. Das wäre knapp die Hälfte der Bevölkerung. Für die Stadt Wolnowacha werde von 15.000 Menschen ausgegangen, sagte Vize-Regierungschefin Iryna Wereschtschuk. Die Evakuierung soll etappenweise über mehrere Tage erfolgen, hieß es. Dazu werden Busse bereitgestellt. Die beiden Städte gelten als Brennpunkte in der Region. Die Infrastruktur ist den Behörden zufolge weitgehend zerstört.

Wo sind die Korridore geplant - und für wie lang?

Als wichtigster Fluchtkorridor ist die Strecke von Mariupol bis Saporischschja vorgesehen, das sind etwa 225 Kilometer. Die Menschen sind aufgerufen, zu ihrer eigenen Sicherheit auf keinen Fall von der zwischen der ukrainischen und der russischen Armee vereinbarten Route abzuweichen. Die Evakuierung soll an mehreren Tagen erfolgen. Neben städtischen Bussen könnten Einwohner mit eigenen Autos die Stadt verlassen. «Nehmen Sie so viele Menschen mit wie möglich», appellierte die Stadt.

Wie sind die Korridore rechtlich geregelt?

Das humanitäre Völkerrecht verpflichtet unabhängig solcher Korridore alle Konfliktparteien, die Zivilbevölkerung, verwundete Soldaten oder Gefangene zu schützen. Krankenhäuser sind grundsätzlich nach den Genfer Konventionen vor Angriffen zu bewahren. Dazu tauschen die Gegner die Standorte der medizinische Einrichtungen aus. Darüber hinaus können nach gegenseitiger Absprache Sanitäts- und Sicherheitszonen eingerichtet werden. Das ist im «Genfer Abkommen über den Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten» geregelt.

Daneben können sich Kriegsparteien auch darauf einigen, Verwundeten- oder Hilfstransporte entlang bestimmter Korridore durch anerkannte humanitäre Akteure wie Hilfsorganisationen nicht zu behelligen. Wasser, Lebensmittel, Medikamente, medizinische Versorgung und alltägliche Güter können in die Konfliktregion gebracht werden, Zivilisten haben die Möglichkeit, die umkämpften Gebiete zu verlassen. Anders als bei einem vereinbarten Waffenstillstand werden um die Korridore herum die Kämpfe weitergeführt.

Humanitäre Korridore haben aber nach Angaben des Beirats der Bundesregierung zur zivilen Krisenprävention und Friedensförderung nicht direkt den Schutz der Bevölkerung zum Ziel. Sie könnten aber dazu beitragen, Gewalt zu reduzieren. Eine unabhängige Instanz, die die Achtung dieser Korridore durchsetzen könnte, gibt es nicht.

Wie beurteilen Experten die Feuerpause?

Der CDU-Verteidigungspolitiker Henning Otte sieht in Waffenruhen und humanitäre Lieferungen durchaus eine Chance: Diese könnten «ein offenes Fenster werden für einen Waffenstillstand und für Verhandlungen», sagt er am Samstag im Deutschlandfunk.

Nach Ansicht des früheren Nato-Generals Egon Ramms berge eine Feuerpause allerdings auch die Gefahr, dass eine Seite ihre Truppen neu sortiere und militärische Operationen vorbereite. Dann gebe es die Möglichkeit, ohne eine relative Bedrohung der anderen Seite «Kräfte umzugruppieren oder Kräfte nachzuführen» sowie Nachschub bei der Versorgung zu organisieren, so Ramms am Samstag im ARD-«Morgenmagazin».

Das Internationale Rote Kreuz begrüßt Initiativen wie solche Korridore, die zur Sicherheit von Zivilisten beitragen könnten. «Diese müssten aber sehr gut geplant, sehr gut koordiniert und sehr gut kommuniziert sein», sagt ein Sprecher der Deutschen Presse-Agentur. Das sei unter Umständen ein schwieriges Unterfangen. Die Hilfsorganisation macht zudem darauf aufmerksam, dass trotz solcher Maßnahmen «Zivilisten unter allen Umständen nicht Ziel von Kampfhandlungen sein dürften».

Haben sich solche Maßnahmen früher bewährt?

Es ist nicht das erste Mal, dass Russland eine lokale Bevölkerung auffordert, ein umkämpftes Gebiet zu verlassen. Das hatte teils verheerende Folgen. In der nordsyrischen Rebellen-Hochburg Aleppo kommt es zum Beispiel 2016 immer wieder zu mehrtägigen Feuerpausen. Später folgen schwere Angriffe der syrischen Truppen und massive Luftschläge der russischen Verbündeten. Damaskus übernimmt letztlich die Kontrolle über eine völlig verwüstete Stadt.

Und so war es auch in Grosny, der Hauptstadt der seinerzeit abtrünnigen russischen Teilrepublik Tschetschenien. Im Dezember 1999 ruft Moskau Zivilisten auf, die Stadt im Kaukasus innerhalb weniger Tage über sichere Korridore zu verlassen. Nach weiteren Wochen erbitterter Kämpfe wird die Infrastruktur komplett zerstört.

Konflikte / Krieg / Korridor / Humanitäre Hilfe / Evakuierung / Zivilisten / Ukraine / Russland / Fragen & Antworten
06.03.2022 · 18:29 Uhr
[7 Kommentare]
Explosion vor Fruchtbarkeitsklinik in Kalifornien
Palm Springs (dpa) - Nach der Explosion vor einer Kinderwunschklinik im kalifornischen Palm Springs haben die Ermittler einen 25-jährigen Mann als Tatverdächtigen benannt. Sie gingen davon aus, dass es sich bei dieser Person um den Toten handelt, der an der Explosionsstelle aufgefunden wurde, teilte Akil Davis vom FBI in Los Angeles am Sonntag mit. Davis betonte, dass dies ein vorsätzlicher […] (02)
vor 38 Minuten
Partys feiert man nicht allein! Schimpansen teilen alkoholhaltige Früchte sehr oft mit anderen
Vergorene Früchte enthalten Alkohol und sorgen bei Tieren für einen veritablen Schwips. Menschenaffen wie Schimpansen sind dem Rausch alles andere als abgeneigt – und obwohl sie ihre Nahrung ansonsten nicht oft teilen, zeigen sie sich bei alkoholhaltigen Speisen als besonders freigiebig. Wer säuft schon gern allein? Wilde Schimpansen konsumieren alkoholhaltige Früchte am liebsten in der Gruppe Gemeinsamer Konsum […] (00)
vor 4 Stunden
Review – Trust GXT 868 Torix im Test
Im Alltag mit dem Computer kommt es auf eine gute Tastatur an. Aber auch an der Playstation möchte ich ab und an eine Tastatur verwenden. Spätestens an der Konsole ist es wichtig, dass die Tastatur kabellos verwendet werden kann – wer sitzt schließlich direkt vor der Konsole zum Zocken? Hierbei bin ich bei meinen Recherchen auf die Trust GXT 868 Torix gestoßen – eine kabellose mechanische […] (00)
vor 1 Stunde
Nintendo Switch 2: Kostenlose Upgrades für Mario Odyssey, 3D World und mehr angekündigt
In einer Zeit, in der kostenpflichtige Next-Gen-Upgrades zur unrühmlichen Norm geworden sind, sorgt Nintendo für eine erfrischende Überraschung. Während einige große First-Party-Spiele für die kommende Switch 2 kostenpflichtige native Versionen erhalten werden, hat der japanische Spielegigant nun verkündet, dass zahlreiche Titel mit kostenlosen technischen Aufwertungen gesegnet werden. Eine […] (00)
Gestern um 16:30
sixx renoviert an Christi Himmelfahrt
Der Fernsehsender strahlt ab Mittag die Show «Design Down Under» aus Australien aus. An Christi Himmelfahrt, den 29. Mai 2025, setzt der Frauensender sixx auf zahlreiche Reality-Shows zum Thema Renovierungen. Der Startschuss erfolgt bereits um 05.55 Uhr, denn dann ist Renovation Rescue – Vom Chaos zum Wohnglück zu sehen. Dieses Mal wird die Folge „Mit den Nerven am Ende“ wiederholt. Caroline und Erick brauchen Hilfe von Stacey Solomon bei der […] (00)
vor 8 Stunden
Tennis: ATP-Tour in Rom
Rom (dpa) - Der spanische Tennis-Star Carlos Alcaraz hat den Siegeszug von Jannik Sinner gestoppt und dem Italiener das perfekte Comeback nach seiner dreimonatigen Sperre verdorben. Alcaraz setzte sich im hochklassigen Endspiel des Masters-Turniers von Rom gegen den Lokalmatador mit 7: 6 (7: 5), 6: 1 durch. Der 22-Jährige folgt damit bei der Generalprobe für die French Open auf Alexander Zverev, […] (00)
vor 1 Stunde
cryptocurrency, blockchain, bitcoin, money, finance, digital currency, wealth, crypto, exchange, technology, distributed ledger, business, payment, economy, e-commerce, free image, black business, black money, black technology, black finance, black digita
Nach einem relativ langweiligen Freitag und Samstag ging der Bitcoin-Kurs am Sonntagabend in die Offensive und stieg auf seinen höchsten Stand seit Ende Januar bei $106.000. Die Bären traten jedoch schnell in Aktion, und der Vermögenswert stürzte im Handumdrehen um zwei Tausend nach unten. Erinnere Dich an unsere Marktbeobachtung von heute Morgen, die berichtete, dass BTC wieder auf […] (00)
vor 43 Minuten
Ihr Weg nach Afrika: Digitale Tore zum Kontinent
Koeln, 17.05.2025 (PresseBox) - Afrika ist ein Kontinent voller Vielfalt, unermesslicher Naturwunder und wirtschaftlicher Chancen. Ob für Geschäftsleute, Reisende oder Kulturinteressierte – der digitale Zugang zu Afrika spielt eine immer größere Rolle. Ein wichtiger Aspekt dieses Zugangs sind die Länderdomains, die als digitale Tore zu den verschiedenen Nationen und Regionen Afrikas dienen. In diesem Artikel stellen wir Ihnen einige der […] (00)
Gestern um 09:59
 
Männer in Fahrradgruppe (Archiv)
Berlin - Die Filmregisseurin und Autorin Doris Dörrie blickt 40 Jahre nach ihrem Kinoerfolg […] (03)
Mariachis in Mexiko
Mexiko-Stadt (dpa) - In Mexiko-Stadt hat die Polizei einen Partyraum geschlossen, in dem Särge […] (02)
Büros (Archiv)
Köln - In Deutschland wird deutlich weniger gearbeitet als in den meisten anderen Ländern. Das […] (12)
Brooklyn Bridge (Archiv)
New York - Ein Segelschiff der mexikanischen Marine ist am Samstag in New York mit der Brooklyn […] (00)
Alter Falter: ZDF-Krimi mit Staffelrekord - Welke auch bockstark
Thomas Heinze ermittelte am Freitag wieder in einer neuen Folge des ZDF-Klassikers. Es handelte sich […] (00)
Elisabeth Moss
(BANG) - Elisabeth Moss kann es noch nicht begreifen, dass 'The Handmaid’s Tale – Der Report […] (00)
Review: Roborock Saros Z70: Die neue Königsklasse unter den Saugrobotern
Wer auf der Suche nach einem smarten Haushaltshelfer ist, der wirklich alles kann, kommt um den […] (00)
bitcoin, crypto, finance, coins, money, currency, cryptocurrency, blockchain, investment, closeup, bitcoin, bitcoin, bitcoin, bitcoin, bitcoin, crypto, crypto, crypto, crypto, crypto, cryptocurrency, cryptocurrency
XRP Analyse Das Tages-Chart Der jüngste Aufwärtstrend von XRP ist an der oberen Grenze eines […] (00)
 
 
Suchbegriff