Hintergrund: Das Kreuz mit dem Kruzifix
Entbrannt war die Diskussion 1985 in Bayern. Ein Familienvater aus der Oberpfalz hatte damals Beschwerde gegen Kreuze in den Unterrichtsräumen seiner Kinder eingelegt.
Recht bekam er erst zehn Jahre später: 1995 urteilte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, dass das Anbringen von Kreuzen in staatlichen Schulen gegen die im Grundgesetz garantierte Religionsfreiheit verstößt. Damit erklärten die Richter einen Passus der bayerischen Schulordnung für verfassungswidrig, nach dem in den Klassenzimmern des Freistaates ein Kreuz hängen muss.
Dieser Absatz wurde danach um eine sogenannte Widerspruchsklausel ergänzt: Bringen Eltern oder Lehrer «ernsthafte Gründe» gegen das Kreuz im Klassenzimmer vor, muss es abgenommen werden. Andernfalls bleibt es hängen. Das Urteil löste bundesweit eine Debatte über das Verhältnis von Staat und Kirche aus. 25 000 Katholiken demonstrierten dagegen. Sechs Jahre später gab der Bayerische Verfassungsgerichtshof dem Begehren eines Lehrers statt, das Kruzifix aus seinen Unterrichtsräumen zu entfernen.
Neuen Zündstoff erhielt die Debatte 2009 durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg. Die Richter gaben damit einstimmig einer Italienerin Recht, dass ein christliches Kreuz im Klassenzimmer die Religionsfreiheit der Schüler verletze. Es nehme zudem den Eltern die Freiheit, ihre Kinder nach ihren Überzeugungen zu erziehen. Das Urteil gegen religiöse Symbole in Unterrichtsräumen hat nur für Italien juristische Wirkung. Prinzipiell können Bürger anderer Staaten den Rechtsweg jedoch auf ähnliche Weise beschreiten.