Analyse: Obama drückt die richtigen Knöpfe
Ein geradezu vermessenes Unterfangen, wenn man bedenkt, dass seine Nation in den vergangenen zehn Jahren in den Augen der meisten Muslime zum Imperium des Unrechts und der skrupellosen Interessenpolitik geworden war. Doch, man mag es kaum glauben, es scheint ihm gelungen zu sein. Bis auf eine Minderheit von Extremisten sind die Muslime wie elektrisiert von den Worten des neuen US-Präsidenten, der formvollendet aus dem Koran zitieren kann und die Demütigungen beschreibt, die das palästinensische Volk unter der Besatzungsmacht Israel erdulden muss.
«Ich kann es kaum glauben, er lobt die Verdienste der arabischen Zivilisation», schreibt eine begeisterte ägyptische Bloggerin. «Indem er das Recht der Palästinenser auf ein Leben in Würde anerkannt hat, wählt Obama einen Weg, der in eine ganz andere Richtung führt als der Weg, den frühere US-Regierungen gewählt hatten», schwärmt der Vize-Generalsekretär der jemenitischen Islamisten-Partei Islah, Mohammed al-Saadi.
Von Bagdad bis Dubai, überall ist man voll des Lobes für den Mann aus dem Weißen Haus, der in Kairo nicht nur schöne Worte, sondern auch einen neuen Fahrplan für eine neue Zusammenarbeit zwischen dem Westen und der islamischen Welt präsentiert hat. «Ich glaube, dass er nicht nur bei den Gästen im Saal, sondern beim gesamten arabischen Publikum gut angekommen ist, er hat die Herzen und den Verstand der arabischen Jugend gewonnen», sagte Abdelchalek Abdullah, Politikprofessor aus den Emiraten, dem Nachrichtensender Al-Arabija.
Bei den Irakern blieb von seiner Rede vor allem ein Satz hängen, in dem Obama erklärte, dass die US-Invasion in ihrem Land vor sechs Jahren wohl hätte vermieden werden könne, auch wenn es den Irakern nun ohne den Diktator Saddam Hussein wohl bessergehe. «Was Obama in Kairo gesagt hat, ist wichtig, denn er hat die instabile Situation zwischen den Muslimen und dem Westen korrekt beschrieben», erklärt der schiitische Geistliche Scheich Mohaned al-Mussawi (36). «Es ist sehr wichtig, dass er den Islam nicht als Teil des Terrors sieht, sondern als Teil einer Lösung, die Sicherheit, Frieden und Stabilität bringt.»
Obama selbst benutzte das Wort «Terrorist» in seiner Rede kein einziges Mal - auch dies eine klare Abgrenzung zu seinem Vorgänger George W. Bush, der dieses Etikett nicht nur für die Attentäter des El-Kaida-Netzwerkes, sondern auch für islamische Aufständische, libanesische Milizionäre und militante Palästinenser verwendet hatte. Dies hatte die Araber ihrerseits dazu verleitet, die israelischen Angriffe im Gazastreifen und die Misshandlung der Häftlinge im US-Gefangenenlager Guantánamo als «Staatsterrorismus» zu bezeichnen. Obama hat in Kairo nun deutlich gemacht, dass er diese Fronten aufheben will, ohne die Fehler der Vergangenheit dabei kleinzureden. Er warnt die Muslime und seine eigenen Landsleute davor, «Gefangene der Vergangenheit» zu sein. «Unsere Probleme müssen partnerschaftlich gelöst werden. Unser Fortschritt muss geteilt werden», sagt er.
«Eine historische Rede», lobt Saeb Erekat, der Chefunterhändler der Palästinenserregierung in Ramallah, «nur, was wird Obama morgen, übermorgen oder in einigen Wochen tun, wen Israel auf seiner Politik beharrt und die Siedlungen (in den besetzten Gebieten) trotzdem ausbaut?»